So, ich bin doch nicht mehr dazu gekommen, einen grossen Artikel oder sonstiges in der Art zu schreiben, was man mir angesichts eines endlosen Terminplanes verzeihen mag.
Ich wuensche allen, denen ich aus Zeitgruenden keine persoenliche Email geschrieben habe, ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Sonntag, 23. Dezember 2007
Samstag, 15. Dezember 2007
Ruslan Goes Gangster oder „Feary Tales Gone Bad“
Ruslan ist ein ganz niedlicher Zeitgenosse. Er war der erste aus meiner neuen „Familie“, der ein Wort mit mir wechselte, als ich in jener Nacht vom vierten auf den fünften September wortlos am Wolgograder Flughafen durch die Menschenmenge schlingerte auf der Suche nach einer italienisch aussehenden Person, mit der ich dann in mein neues Heim fahren sollte. „Jooorg?“ piepste es auf einmal aus der Kehle eines offensichtlich übergewichtigen, dunkelhaarigen Jungen. Zumindest hielt ich ihn damals noch für einen Jungen. Eigentlich ist er dreißig Jahre alt und seine Gestalt starrt auch nicht so übermäßig vor zuviel Fleisch. Vielmehr beschränkt sich das auf seinen voluminösen Bauch, der – wie Fotos von vor ein paar Jahren eindrucksvoll belegen – erst vor kurzer Zeit auf diese Größe angewachsen ist und Ruslan wohl eher das Prädikat „unförmig“ verleiht. Warum das so ist, erklären die puren Massen verschiedensten Konfektes, die sich bei einer Visite seines Zimmers finden lassen. Es gehört zu den kleinen Annehmlichkeiten, die sich Ruslan gönnt, wenn er das Haus wienert, dass er dann aus einer großen Hosentasche Bonbons und Schokolade in seinen Schlund stopft, um das Papier einfach auf den Boden zu werfen und danach mit dem Handfeger zusammen mit Staub, Sand und was sonst noch so auf dem Boden lag in den Müll werfen zu können. Da wären wir auch schon direkt bei einer der Lieblingsbeschäftigungen seines recht straff durchorganisierten Lebens: Ruslan räumt unglaublich gern auf. Das heißt, er sieht es schon als Arbeit an, denn wenn ich mit ihm herumscherze, dass er sich doch ausruhen könnte, sagt er immer, dass der Boden noch gewischt werden müsse. Andererseits ist es aber schwierig ihm dabei zu helfen, da er einen einfach nicht lässt. Wischmob und Wassereimer hütet er wie einen Goldschatz. Wenn man Glück hat, bekommt man von ihm eine kleine Aufgabe zugewiesen, wie dass man den Korridor oben mit dem Staubsauger beharken darf. Danach kommt er aber sofort hochgeschossen und bombardiert einen mit einem Hagel von „всё, всё, всё“ (soviel wie: „reicht, reicht, reicht“), um dann selbst den Rest angehen zu können. Darüber hinaus gehört es auch in seinen Bereich das Geschirr zu spülen, was man ihm aber noch schlechter abnehmen kann, als das Wischen oder Putzen. Meist macht er sich direkt nach dem Essen daran und geht abends häufig direkt danach ins Bett. Das Einzige, was er einem gern mal überlässt, ist die Reinigung der Toilette, aber gerade darauf habe ich ja nun mal echt keine Lust. So kämpfe ich mit ihm immer um jeden Meter Flur, den ich noch erledigen darf, damit ich erstens nicht nur doof rumhänge und zweitens auch meinen Teil an der Hausarbeit irgendwie verrichtet bekomme.
Putzen und Konfekt sind aber noch nicht alles, was Ruslans Alltag ausmacht. So ist ihm sein täglicher Spaziergang auch noch bei Wind und Minusgraden heilig genug, um sich mehrere Stunden draußen aufzuhalten. Dabei hört er manchmal Musik aus einem uralten Diskman, der in einer Plastiktasche an einem kleinen Gurt an seiner Seite baumelt. Das Beste ist aber noch sein Musikgeschmack, der in etwa die Ära der italienischen Klassik umfasst. Als wenn das noch nicht reichen würde, dass er jedem auffällt, wenn er nur nahe genug zum Mithören an einem vorbeikommt, hat Ruslan auch einen sehr ausgefallenen Klamottenstil. Es beginnt an den Füßen mit Camouflagestiefeln, dann zwei Lagen Trainingshosen an den Beinen, ein altes T-Shirt über d-e-n Bauch gespannt, darüber ein kariertes Fleecehemd und eine rote Skijacke. Auf dem Kopf hat er dann häufig eine dieser Mützen, die herunterklappbare Ohrenschutze mit Fellbezug zu ihren Spezial-Features zählen und wenn man die „over head” zusammenbindet ergibt sich ein Fellkranz um den ganzen Schädel. Dicke Handschuhe runden das Bild ab. Ich finde seine Modeverirrung ja im Grunde ganz lustig. Das Gros der Russen findet sich allerdings sofort auf einer feindseligen Ebene wieder. Ein Blick sagt manchmal schon mehr als tausend Worte. Dazu sollte man vielleicht noch erwähnen, dass geistige Behinderungen in der russischen Gesellschaft immer noch zu einer Art Tabuthema gehören und geistig behinderte Kinder meist irgendwo außerhalb aufs Land gebracht werden, um nicht unter all zu vieler Leute Blicken ihr Dasein zu fristen. Trifft man in der Stadt dann doch mal einen „Unnormalen“, ist das für die Bevölkerung gleich ein komischer, bestimmt schwuler Typ, dem man schleunigst alle Geringschätzung entgegenschleudern sollte. Ruslan besitzt seinerseits einen, zugegebenermaßen, hin und wieder schrägen, starrenden Blick, der ihn natürlich sofort als „Invaliden“ ausweist. Trotzdem liebt er seine Spaziergänge und Freitag werde ich mit ihm genau einen solchen antreten. Auf dem Plan stehen „MC Donald’s“ und dann ein Spaziergang am Wolgaufer mit Bier und Cola.
Bleiben noch zwei Aktivitäten, die dann ausreichen sollten, um Ruslan zu skizzieren. Die eine ist seine Arbeit mit Obdachlosen, die er entweder mit Marko, mit mir oder alleine ausübt. Das heißt, entweder versorgen wir komplett die Obdachlosen bei der Caritas oder er fährt mit mir oder ich fahre mit ihm ins Zentrum oder er fährt allein. Eine dieser Möglichkeiten beansprucht meist den Teil des Vormittags, den Ruslan nicht mit Putzen beschäftigt ist.
Zu guter letzt ist da noch Ruslans zweite Wohnung: Die Kirche. Ich habe selten jemanden kennen gelernt, der häufiger in der Kirche war als Ruslan. Ich möchte sogar behaupten, dass die meisten deutschen Hauptamtlichen seltener im Gotteshaus sind als Ruslan. Hier ist er jeden Tag zwei Stunden vor der Messe schon dort, betet den Rosenkranz, richtet die Kirche her, dient dann und bleibt hin und wieder nach dem Gottesdienst noch eine oder anderthalb Stunden dort, um an einem Bibelkreis teilzunehmen. Als witzig in dem Zusammenhang ist mir ein Gespräch hängen geblieben, was ich zu Anfang mal mit Marco hatte, in dem er mich fragte, wie oft ich denn zur Kirche ginge oder wie oft ich hier zur Kirche zu gehen gedächte. Ich antwortete ganz unverfänglich, dass ich dann gehen wollte, wenn ich meinen würde, dass es nötig sei, worauf Ruslan laut prustend einwarf, dass er das jeden Tag meint. Und das ist auch ausgesprochen so.
Um nun mal kurz den Tagesablauf in die richtige Reinfolge zu bringen: Aufstehen, waschen, oben fegen und wischen, Suppe (für die Obdachlosen) kochen oder schon Richtung Wagon abfahren, Versorgung, Heimfahrt, kurz ausruhen, Essen, Geschirrspülen, Rest des Hauses putzen, ins Zentrum fahren, spazieren gehen, zur Kirche gehen, wiederkommen, Essen, Geschirrspülen, schlafen.
Klingt nach einem starren, monotonen Plan. Ist es auch. Und einmal dürft ihr raten was passiert, wenn Ruslan etwas Einmaliges in seinem Wochenplan bemerkt. Genau. Es wird erstmal exakt eingeordnet. So unser Abendessen bei „MC Donald’s“ morgen Abend. Seit drei oder vier Tagen erzählt er mir immer wieder wie genau das zu machen sei. „Spätestens Freitag sagen wir es Marco, dann fahren wir gemeinsam zur Messe. Nein, geht ja nicht. Du musst ja schon vorher ins Zentrum. Dann anders: Wir sagen es morgens Marco, dann fährst du zum Caritas-Wagon und ich nehme die Tram ins Zentrum zu den Obdachlosen. Nein, geht ja auch nicht. Diesen Freitag fährst du ja nicht zum Wagon, dann schläfst du aus. Dann sage ich es Marco. Dann fahre ich los, du schläfst aus. Dann komme ich wieder, räume auf, fahre, nachdem du schon los bist, ins Zentrum, wir treffen uns in der Messe, wenn Marco mitkommt, sagen wir es ihm dann noch mal, danach nehmen wir dann die U-Bahn in den nächsten Distrikt, dann gehen wir essen, danach spazieren. Und wenn wir dann genug haben, fahren wir wieder nach Hause und schlafen. Oh, ich muss ja daran denken Schlüssel mitzunehmen, sonst bekommen wir abends Probleme beim Reinkommen. Also: …“ Und dann wiederholt er den Plan noch mal, nur dass er irgendwo einfügt, dass er die Schlüssel mitnimmt, was er sowieso jeden Tag direkt morgens macht, damit er immer unabhängig von allen anderen ins Haus kann. Das kleinste Detail veranlasst Ruslan also schon, den ganzen Plan noch mal zu überdenken und ihn wieder und wieder vor mir auszuformulieren. Das kann, zugegebenermaßen, schon ganz anstrengend sein, da er mir eh meist immer die gleichen Storys erzählt. Wie er als kleiner Junge durch die Stadt spaziert ist. Wie mal ein kleiner Junge aus dem Fenster ihm vor die Füße gefallen ist und sofort tot war, wie er eine OP an der Blase bekommen hat, weswegen er, wenn er mal pinkeln muss auch sofort pinkeln muss, was ihn auch mal dazu bringt, es mitten in der Innenstadt nach „russischer Manier“ – wie er es formuliert – zu machen, also Hose aus und los auf den Gehsteig; eine Ecke findet sich immer. Dann gibt es noch die Geschichte mit seinem Polenaufenthalt vor ein paar Jahren, auf der er einen Priester als eine Art Sekretär begleitete und die Leidensgeschichte seiner Mutter (die aber soweit ich weiß seine Ziehmutter war). Dann gibt es noch Bewertungen über die ihm anvertrauten Messdiener, sowie sein Aufstöhnen über die Mieter seiner Wohnung, deren Mietvertrag er schon zu 45% nicht verlängern wird und er hat schon zu 50% darüber nachgedacht, was bedeutet, dass er in den noch zu überdenkenden 50% fünf Prozent Gründe finden muss, den Vertrag nicht zu verlängern, sodass einer von den beiden (der andere ist dann fertig) im nächsten Sommer ohne Wohnung dastehen wird. Und dann gibt es da noch eine Story, die sich erst vor kurzem zugetragen hat und die den Putz von seinem makellosen Image innerhalb der katholischen Gemeinde bröckeln lässt und deswegen auch nur wenigen bekannt ist.
Der nämlich so gut organisierte, saubere Ruslan („Ich trinke nicht, ich rauche nicht“) hat sich nach allen Regeln der Kunst abgeschossen. Es begann mit seiner lang erwarteten Reise nach Astrachan, die sich zu einem persönlichen Fiasko entwickeln sollte. Zuallererst versagte auf der Hälfte der Strecke der Wagen von Sascha, so dass die beiden fünf Stunden lang in dem kalten Lada warten mussten, bis sie endlich jemand bis Astrachan abschleppte. Dort angekommen gab es für Ruslan erstmal Sightseeing und einige Besuche. Eines Abends allerdings wurde in Saschas Garage eine kleine Party gefeiert. Sollte nichts Großes werden. Nett beisammensitzen und Lieder zur Gitarre singen, ein bisschen trinken, ein wenig rauchen. Dann kam der Wein auf den Tisch. Aus irgendeinem Grund hat dann auch Ruslan zur Flasche gegriffen und trank etwa zehnmal seinen 200ml Becher leer – in einem Zug. So saß er wohl eine ganze Zeit in der illustren Gesellschaft, bis er plötzlich aus heiterem Himmel in einem schrecklichen Anfall von Speisucht Vesuv und Ätna in den Schatten stellte und den ganzen Tisch mit Halbverdautem besprengte. Wie gut, dass es Handys gibt; so konnte ich mir hinterher selbst ein Bild vom „Ausmaß der Zerstörung“ machen. Hat auf jeden Fall eher geklotzt als gekleckert. Mit völlig nassen Sachen ist er dann noch ein wenig durch die Gegend geschwankt, bis er schließlich pennen gegangen ist. Das Witzigste ist aber natürlich weniger die Story an sich, sondern, dass der liebe, kleine Ruslan damit so gar nicht umgehen konnte. Als er wiederkam fragte ich ihn sofort nach seinen Erlebnissen und auch ob er auf der Party, von der ich schon wusste, dass sie stattgefunden hatte, ordentlich zugeschlagen hätte. Von seiner Glanzleistung hatte ich noch keine Ahnung. Ihm aber schien es, als wüsste ich bereits von allem und sah mich entgeistert an, bis er schließlich fragte, woher ich davon schon wisse, worauf ich ihm dann antwortete, dass ich nur Spaß gemacht hätte. Zuhause angekommen (seine Stimmung war schon schlecht, weil sie sich auf dem Rückweg wegen einer weiteren Panne so verspätet hatten, dass er an diesem Tag keine Kommunion mehr bekam, was erst zum dritten oder vierten Mal seit seiner Taufe passiert war) musste es dann raus. „Ich habe gesündigt“ platzte es aus ihm heraus als wir alle vergnüglich bei einem Pils am Küchentisch saßen und an Saschas Reaktion konnte man sofort ablesen, welcher Art und in welchem Zusammenhang diese Sünde sein musste. Marco ließ sich aber den Spaß nicht nehmen den Unwissenden zu spielen. So erklärte Ruslan ausweichend, er sei „zum Mann geworden“, worauf Jura sofort in schallendes Gelächter ausbrach und ihn fragte, welche „Hure er denn gef***t“ habe. Dann musste der vergangene Unschuldsengel mit der konkreten, ungeschminkten Wahrheit raus, die tatkräftig von Saschas Videos unterstützt wurde, sodass bald alle zwischen ernsten Kommentaren, dass das aber nicht wieder passieren dürfte und belustigten Einwürfen hin- und herschwankten. Das Ganze hat mich sofort an ein Gespräch mit Marten Fischer erinnert, in dem wir darüber schwadronierten was passiert, wenn die „Guten“ an der Theke zuschlagen mit der Schlussfolgerung, dass es dann immer am Schlimmsten wird, wenn die „Guten“ vom Pfad abkommen, was dann nämlich „erst richtig“ passieren würde.
Wie auch immer, auf jeden Fall habe ich nun etwas womit ich Ruslan immer foppen kann, wenn mir danach steht, worauf er eine gewisse Zeit mitmacht, bis er dann ernst wird und einwirft: „Erzähl’s nur keinem – in Ordnung?“. Dann muss ich ihm wieder hoch und heilig versprechen, dass ich mit niemandem über seinen faux-pas ein Wort verliere. Ich denke aber, dass es in Ordnung geht, wenn ich es hier auf Deutsch im Internet veröffentliche, da die Deutschkenntnisse all derer, die gerade nicht davon erfahren dürfen, nicht ausreichen, um das hier Geschriebene zu verstehen. Um nun aber mal ein paar Seiten der Beschreibung einer der wichtigsten Personnagen meines Lebens hier in Wolgograd zu widmen, erschien mir diese Story als recht passend, da sie wie kaum eine andere seine Abhängigkeit von einem geregelten System, welches er überblicken und regulieren kann, zeigt. Wenn etwas nicht stimmt, gerät sofort alles ins Wanken und muss wieder abgesichert werden. Gerade deswegen kann man häufig gut über Ruslan schmunzeln und weil man gut mit ihm lachen kann und er mit wahrer Hingabe wohl zu einem großen Teil dazu beigetragen hat, dass mein Russisch sich entwickeln konnte, werde ich auch nie müde mit ihm durch Wolgograd zu streifen. Denn eines muss noch erwähnt werden bezüglich seiner stets wiederkehrenden Geschichten. Wie ein unglaublich interessant ausgefeilter Erzählstil werden sie immer konkreter, je öfter er sie mir erzählt, was ich einfach mal von wachsendem Vertrauen herleite. So bleibt er anfangs bei einer Geschichte nur bei wirklich Äußerlichkeiten. Es gibt das „wer“, das „wo“ und das „was“, welche allerdings auch unvollständig oder korrekturbedürftig sind, bis man schließlich auch das „wie“ und alle Konsequenzen der Begebenheit erfährt. Wenn das Leben ein Buch wäre, würde ich diesen Ruslan-Charakter auf eine Stufe mit Grass’ Erzähler von „Katz und Maus“ stellen – interessant genug dafür ist er auf jeden Fall.
Das soll fürs erste genug von ihm sein. Gerade wo ich gerade bemerke, dass ich bereits dreieinhalb Seiten voll geschrieben habe und meine Schlafenszeit mal wieder in Richtung „ungesund“ verschwindet.
Joerg
Putzen und Konfekt sind aber noch nicht alles, was Ruslans Alltag ausmacht. So ist ihm sein täglicher Spaziergang auch noch bei Wind und Minusgraden heilig genug, um sich mehrere Stunden draußen aufzuhalten. Dabei hört er manchmal Musik aus einem uralten Diskman, der in einer Plastiktasche an einem kleinen Gurt an seiner Seite baumelt. Das Beste ist aber noch sein Musikgeschmack, der in etwa die Ära der italienischen Klassik umfasst. Als wenn das noch nicht reichen würde, dass er jedem auffällt, wenn er nur nahe genug zum Mithören an einem vorbeikommt, hat Ruslan auch einen sehr ausgefallenen Klamottenstil. Es beginnt an den Füßen mit Camouflagestiefeln, dann zwei Lagen Trainingshosen an den Beinen, ein altes T-Shirt über d-e-n Bauch gespannt, darüber ein kariertes Fleecehemd und eine rote Skijacke. Auf dem Kopf hat er dann häufig eine dieser Mützen, die herunterklappbare Ohrenschutze mit Fellbezug zu ihren Spezial-Features zählen und wenn man die „over head” zusammenbindet ergibt sich ein Fellkranz um den ganzen Schädel. Dicke Handschuhe runden das Bild ab. Ich finde seine Modeverirrung ja im Grunde ganz lustig. Das Gros der Russen findet sich allerdings sofort auf einer feindseligen Ebene wieder. Ein Blick sagt manchmal schon mehr als tausend Worte. Dazu sollte man vielleicht noch erwähnen, dass geistige Behinderungen in der russischen Gesellschaft immer noch zu einer Art Tabuthema gehören und geistig behinderte Kinder meist irgendwo außerhalb aufs Land gebracht werden, um nicht unter all zu vieler Leute Blicken ihr Dasein zu fristen. Trifft man in der Stadt dann doch mal einen „Unnormalen“, ist das für die Bevölkerung gleich ein komischer, bestimmt schwuler Typ, dem man schleunigst alle Geringschätzung entgegenschleudern sollte. Ruslan besitzt seinerseits einen, zugegebenermaßen, hin und wieder schrägen, starrenden Blick, der ihn natürlich sofort als „Invaliden“ ausweist. Trotzdem liebt er seine Spaziergänge und Freitag werde ich mit ihm genau einen solchen antreten. Auf dem Plan stehen „MC Donald’s“ und dann ein Spaziergang am Wolgaufer mit Bier und Cola.
Bleiben noch zwei Aktivitäten, die dann ausreichen sollten, um Ruslan zu skizzieren. Die eine ist seine Arbeit mit Obdachlosen, die er entweder mit Marko, mit mir oder alleine ausübt. Das heißt, entweder versorgen wir komplett die Obdachlosen bei der Caritas oder er fährt mit mir oder ich fahre mit ihm ins Zentrum oder er fährt allein. Eine dieser Möglichkeiten beansprucht meist den Teil des Vormittags, den Ruslan nicht mit Putzen beschäftigt ist.
Zu guter letzt ist da noch Ruslans zweite Wohnung: Die Kirche. Ich habe selten jemanden kennen gelernt, der häufiger in der Kirche war als Ruslan. Ich möchte sogar behaupten, dass die meisten deutschen Hauptamtlichen seltener im Gotteshaus sind als Ruslan. Hier ist er jeden Tag zwei Stunden vor der Messe schon dort, betet den Rosenkranz, richtet die Kirche her, dient dann und bleibt hin und wieder nach dem Gottesdienst noch eine oder anderthalb Stunden dort, um an einem Bibelkreis teilzunehmen. Als witzig in dem Zusammenhang ist mir ein Gespräch hängen geblieben, was ich zu Anfang mal mit Marco hatte, in dem er mich fragte, wie oft ich denn zur Kirche ginge oder wie oft ich hier zur Kirche zu gehen gedächte. Ich antwortete ganz unverfänglich, dass ich dann gehen wollte, wenn ich meinen würde, dass es nötig sei, worauf Ruslan laut prustend einwarf, dass er das jeden Tag meint. Und das ist auch ausgesprochen so.
Um nun mal kurz den Tagesablauf in die richtige Reinfolge zu bringen: Aufstehen, waschen, oben fegen und wischen, Suppe (für die Obdachlosen) kochen oder schon Richtung Wagon abfahren, Versorgung, Heimfahrt, kurz ausruhen, Essen, Geschirrspülen, Rest des Hauses putzen, ins Zentrum fahren, spazieren gehen, zur Kirche gehen, wiederkommen, Essen, Geschirrspülen, schlafen.
Klingt nach einem starren, monotonen Plan. Ist es auch. Und einmal dürft ihr raten was passiert, wenn Ruslan etwas Einmaliges in seinem Wochenplan bemerkt. Genau. Es wird erstmal exakt eingeordnet. So unser Abendessen bei „MC Donald’s“ morgen Abend. Seit drei oder vier Tagen erzählt er mir immer wieder wie genau das zu machen sei. „Spätestens Freitag sagen wir es Marco, dann fahren wir gemeinsam zur Messe. Nein, geht ja nicht. Du musst ja schon vorher ins Zentrum. Dann anders: Wir sagen es morgens Marco, dann fährst du zum Caritas-Wagon und ich nehme die Tram ins Zentrum zu den Obdachlosen. Nein, geht ja auch nicht. Diesen Freitag fährst du ja nicht zum Wagon, dann schläfst du aus. Dann sage ich es Marco. Dann fahre ich los, du schläfst aus. Dann komme ich wieder, räume auf, fahre, nachdem du schon los bist, ins Zentrum, wir treffen uns in der Messe, wenn Marco mitkommt, sagen wir es ihm dann noch mal, danach nehmen wir dann die U-Bahn in den nächsten Distrikt, dann gehen wir essen, danach spazieren. Und wenn wir dann genug haben, fahren wir wieder nach Hause und schlafen. Oh, ich muss ja daran denken Schlüssel mitzunehmen, sonst bekommen wir abends Probleme beim Reinkommen. Also: …“ Und dann wiederholt er den Plan noch mal, nur dass er irgendwo einfügt, dass er die Schlüssel mitnimmt, was er sowieso jeden Tag direkt morgens macht, damit er immer unabhängig von allen anderen ins Haus kann. Das kleinste Detail veranlasst Ruslan also schon, den ganzen Plan noch mal zu überdenken und ihn wieder und wieder vor mir auszuformulieren. Das kann, zugegebenermaßen, schon ganz anstrengend sein, da er mir eh meist immer die gleichen Storys erzählt. Wie er als kleiner Junge durch die Stadt spaziert ist. Wie mal ein kleiner Junge aus dem Fenster ihm vor die Füße gefallen ist und sofort tot war, wie er eine OP an der Blase bekommen hat, weswegen er, wenn er mal pinkeln muss auch sofort pinkeln muss, was ihn auch mal dazu bringt, es mitten in der Innenstadt nach „russischer Manier“ – wie er es formuliert – zu machen, also Hose aus und los auf den Gehsteig; eine Ecke findet sich immer. Dann gibt es noch die Geschichte mit seinem Polenaufenthalt vor ein paar Jahren, auf der er einen Priester als eine Art Sekretär begleitete und die Leidensgeschichte seiner Mutter (die aber soweit ich weiß seine Ziehmutter war). Dann gibt es noch Bewertungen über die ihm anvertrauten Messdiener, sowie sein Aufstöhnen über die Mieter seiner Wohnung, deren Mietvertrag er schon zu 45% nicht verlängern wird und er hat schon zu 50% darüber nachgedacht, was bedeutet, dass er in den noch zu überdenkenden 50% fünf Prozent Gründe finden muss, den Vertrag nicht zu verlängern, sodass einer von den beiden (der andere ist dann fertig) im nächsten Sommer ohne Wohnung dastehen wird. Und dann gibt es da noch eine Story, die sich erst vor kurzem zugetragen hat und die den Putz von seinem makellosen Image innerhalb der katholischen Gemeinde bröckeln lässt und deswegen auch nur wenigen bekannt ist.
Der nämlich so gut organisierte, saubere Ruslan („Ich trinke nicht, ich rauche nicht“) hat sich nach allen Regeln der Kunst abgeschossen. Es begann mit seiner lang erwarteten Reise nach Astrachan, die sich zu einem persönlichen Fiasko entwickeln sollte. Zuallererst versagte auf der Hälfte der Strecke der Wagen von Sascha, so dass die beiden fünf Stunden lang in dem kalten Lada warten mussten, bis sie endlich jemand bis Astrachan abschleppte. Dort angekommen gab es für Ruslan erstmal Sightseeing und einige Besuche. Eines Abends allerdings wurde in Saschas Garage eine kleine Party gefeiert. Sollte nichts Großes werden. Nett beisammensitzen und Lieder zur Gitarre singen, ein bisschen trinken, ein wenig rauchen. Dann kam der Wein auf den Tisch. Aus irgendeinem Grund hat dann auch Ruslan zur Flasche gegriffen und trank etwa zehnmal seinen 200ml Becher leer – in einem Zug. So saß er wohl eine ganze Zeit in der illustren Gesellschaft, bis er plötzlich aus heiterem Himmel in einem schrecklichen Anfall von Speisucht Vesuv und Ätna in den Schatten stellte und den ganzen Tisch mit Halbverdautem besprengte. Wie gut, dass es Handys gibt; so konnte ich mir hinterher selbst ein Bild vom „Ausmaß der Zerstörung“ machen. Hat auf jeden Fall eher geklotzt als gekleckert. Mit völlig nassen Sachen ist er dann noch ein wenig durch die Gegend geschwankt, bis er schließlich pennen gegangen ist. Das Witzigste ist aber natürlich weniger die Story an sich, sondern, dass der liebe, kleine Ruslan damit so gar nicht umgehen konnte. Als er wiederkam fragte ich ihn sofort nach seinen Erlebnissen und auch ob er auf der Party, von der ich schon wusste, dass sie stattgefunden hatte, ordentlich zugeschlagen hätte. Von seiner Glanzleistung hatte ich noch keine Ahnung. Ihm aber schien es, als wüsste ich bereits von allem und sah mich entgeistert an, bis er schließlich fragte, woher ich davon schon wisse, worauf ich ihm dann antwortete, dass ich nur Spaß gemacht hätte. Zuhause angekommen (seine Stimmung war schon schlecht, weil sie sich auf dem Rückweg wegen einer weiteren Panne so verspätet hatten, dass er an diesem Tag keine Kommunion mehr bekam, was erst zum dritten oder vierten Mal seit seiner Taufe passiert war) musste es dann raus. „Ich habe gesündigt“ platzte es aus ihm heraus als wir alle vergnüglich bei einem Pils am Küchentisch saßen und an Saschas Reaktion konnte man sofort ablesen, welcher Art und in welchem Zusammenhang diese Sünde sein musste. Marco ließ sich aber den Spaß nicht nehmen den Unwissenden zu spielen. So erklärte Ruslan ausweichend, er sei „zum Mann geworden“, worauf Jura sofort in schallendes Gelächter ausbrach und ihn fragte, welche „Hure er denn gef***t“ habe. Dann musste der vergangene Unschuldsengel mit der konkreten, ungeschminkten Wahrheit raus, die tatkräftig von Saschas Videos unterstützt wurde, sodass bald alle zwischen ernsten Kommentaren, dass das aber nicht wieder passieren dürfte und belustigten Einwürfen hin- und herschwankten. Das Ganze hat mich sofort an ein Gespräch mit Marten Fischer erinnert, in dem wir darüber schwadronierten was passiert, wenn die „Guten“ an der Theke zuschlagen mit der Schlussfolgerung, dass es dann immer am Schlimmsten wird, wenn die „Guten“ vom Pfad abkommen, was dann nämlich „erst richtig“ passieren würde.
Wie auch immer, auf jeden Fall habe ich nun etwas womit ich Ruslan immer foppen kann, wenn mir danach steht, worauf er eine gewisse Zeit mitmacht, bis er dann ernst wird und einwirft: „Erzähl’s nur keinem – in Ordnung?“. Dann muss ich ihm wieder hoch und heilig versprechen, dass ich mit niemandem über seinen faux-pas ein Wort verliere. Ich denke aber, dass es in Ordnung geht, wenn ich es hier auf Deutsch im Internet veröffentliche, da die Deutschkenntnisse all derer, die gerade nicht davon erfahren dürfen, nicht ausreichen, um das hier Geschriebene zu verstehen. Um nun aber mal ein paar Seiten der Beschreibung einer der wichtigsten Personnagen meines Lebens hier in Wolgograd zu widmen, erschien mir diese Story als recht passend, da sie wie kaum eine andere seine Abhängigkeit von einem geregelten System, welches er überblicken und regulieren kann, zeigt. Wenn etwas nicht stimmt, gerät sofort alles ins Wanken und muss wieder abgesichert werden. Gerade deswegen kann man häufig gut über Ruslan schmunzeln und weil man gut mit ihm lachen kann und er mit wahrer Hingabe wohl zu einem großen Teil dazu beigetragen hat, dass mein Russisch sich entwickeln konnte, werde ich auch nie müde mit ihm durch Wolgograd zu streifen. Denn eines muss noch erwähnt werden bezüglich seiner stets wiederkehrenden Geschichten. Wie ein unglaublich interessant ausgefeilter Erzählstil werden sie immer konkreter, je öfter er sie mir erzählt, was ich einfach mal von wachsendem Vertrauen herleite. So bleibt er anfangs bei einer Geschichte nur bei wirklich Äußerlichkeiten. Es gibt das „wer“, das „wo“ und das „was“, welche allerdings auch unvollständig oder korrekturbedürftig sind, bis man schließlich auch das „wie“ und alle Konsequenzen der Begebenheit erfährt. Wenn das Leben ein Buch wäre, würde ich diesen Ruslan-Charakter auf eine Stufe mit Grass’ Erzähler von „Katz und Maus“ stellen – interessant genug dafür ist er auf jeden Fall.
Das soll fürs erste genug von ihm sein. Gerade wo ich gerade bemerke, dass ich bereits dreieinhalb Seiten voll geschrieben habe und meine Schlafenszeit mal wieder in Richtung „ungesund“ verschwindet.
Joerg
Candle Light Dinner – A Russian Romance
Scheißtag. Erst morgens diese Kiste beim Wagon, dann nachmittags im Kinderzentrum nur Stress mit den Kleinen, die ständig Ina auf die Palme bringen mussten, indem sie Schimpfwörter zu zweit aus Einzelbuchstaben zusammenfügten. Das sieht etwa so aus: Sergej sagt: „Х-“, Dim sagt: „-уй-“ und Sergej endet mit: „-ня“. Daraufhin kommt Ina rein und muckt die beiden solange an, bis sie sich, mit mir zusammen durchsetzen kann, dass die beiden zur Strafe zwanzig Liegestützen machen. Im Grunde finde ich diesen Gebrauch von Schimpfworten ja recht amüsant, sogar in gewissem Umfang künstlerisch. Die Ansicht kann ich ja aber leider nicht im Kinderzentrum vertreten, was die Sache nicht leichter macht.
Als ich dann endlich nach Hause kam, wollte ich nur schnell aus meinen dicken Klamotten und der dunklen Kälte heraus. Aus den Klamotten und der Kälte kam ich. Aus der Dunkelheit nicht. Strom was ausgefallen. Das bedeutete Essen im Kerzenlicht. Unter anderen Umständen ja unbestreitbar romantisch. Mit Jura und Marco eher ein mittelmäßiger Genuss, der sich wieder darin ergießt, dass Jura seine Kartoffeln reinschiebt und dann schon mal schnell vom Tisch abhaut, während Marco und ich uns noch die Makkaroni schmecken lassen. In dem Moment, als ich dann aber für die standardmäßige Zigarette Licht brauchte, stellten sie uns den Strom auch schon wieder an. Das bedeutete dann natürlich auch wieder Kartenspielen, bei dem uns Jura wie gewohnt abzog. Irgendwie muss der Alte uns jedes Mal übers Ohr hauen. Gestern hat er zwanzig Rubel und heute dreizehn gewonnen. Da kann doch rein mathematisch schon was nicht stimmen. Wir spielen doch immer bestimmt eine Stunde, wenn nicht länger und die einzigen paar Tricks an dem Spiel hat man schnell raus, sodass er einfach bescheißen muss, um so abzuräumen. Wenn ich doch nur rauskriegen könnte wie er das macht!
Habe nun doch beschlossen noch ein wenig zu lesen und mache dann mal Schluss.
Gute Nacht. Kommt morgen alles online.
Wenn ich Zeit finde, was aber nicht das Problem sein sollte. In meinem frisch aufgeräumten Zimmer finde ich nämlich nun alles. Foto stelle ich vielleicht bald mal ins Netz, damit du dir keine Sorgen machen musst, dass ich mal in „meinem eigenen Dreck umkomme“, Mama.
Also: Nachti, nachti…
Als ich dann endlich nach Hause kam, wollte ich nur schnell aus meinen dicken Klamotten und der dunklen Kälte heraus. Aus den Klamotten und der Kälte kam ich. Aus der Dunkelheit nicht. Strom was ausgefallen. Das bedeutete Essen im Kerzenlicht. Unter anderen Umständen ja unbestreitbar romantisch. Mit Jura und Marco eher ein mittelmäßiger Genuss, der sich wieder darin ergießt, dass Jura seine Kartoffeln reinschiebt und dann schon mal schnell vom Tisch abhaut, während Marco und ich uns noch die Makkaroni schmecken lassen. In dem Moment, als ich dann aber für die standardmäßige Zigarette Licht brauchte, stellten sie uns den Strom auch schon wieder an. Das bedeutete dann natürlich auch wieder Kartenspielen, bei dem uns Jura wie gewohnt abzog. Irgendwie muss der Alte uns jedes Mal übers Ohr hauen. Gestern hat er zwanzig Rubel und heute dreizehn gewonnen. Da kann doch rein mathematisch schon was nicht stimmen. Wir spielen doch immer bestimmt eine Stunde, wenn nicht länger und die einzigen paar Tricks an dem Spiel hat man schnell raus, sodass er einfach bescheißen muss, um so abzuräumen. Wenn ich doch nur rauskriegen könnte wie er das macht!
Habe nun doch beschlossen noch ein wenig zu lesen und mache dann mal Schluss.
Gute Nacht. Kommt morgen alles online.
Wenn ich Zeit finde, was aber nicht das Problem sein sollte. In meinem frisch aufgeräumten Zimmer finde ich nämlich nun alles. Foto stelle ich vielleicht bald mal ins Netz, damit du dir keine Sorgen machen musst, dass ich mal in „meinem eigenen Dreck umkomme“, Mama.
Also: Nachti, nachti…
„Bis morgen, wir sehen uns…“
Nun wollte ich ja nicht auf einmal so viel schreiben. Am heutigen Tag gehen natürlich aber direkt alle Vorsätze der gestrigen Nacht zu Bruch. Es ist einfach mal zuviel passiert, als dass ich warten könnte, es nieder zu schreiben, bis eine Woche vergangen ist. In gewisser Hinsicht war dieser Tag natürlich auch ein ganz normaler. Ich bin früh morgens aufgestanden, habe geduscht und bin zur Arbeit gefahren, habe sie erledigt, bin zurück gefahren und habe gegessen, meinen Mittagsschlaf gehalten, dann zum zweiten Teil der Arbeit übergegangen, wiedergekommen und wieder gegessen, Karten gespielt und sitze nun wieder noch eine oder anderthalb Stunden vor dem Laptop. Heute Morgen war aber direkt etwas Gravierendes anders als sonst.
Jura und Andrej verbindet ein gemeinsames Schicksal. Beide trinken sehr gern Wodka und haben kein ständiges Zuhause. Beide frieren also jede Nacht gemeinsam und kommen oft zusammen zum Wagon, um dort die warme Mahlzeit einzunehmen. Sie gehen in die katholische Kirche, sooft sie es einrichten können und haben auch schon einmal versucht für ein paar Tage hier im Haus zu leben, was sie allerdings bald aufgeben mussten, da sie dem Alkohol nicht abschwören wollten oder konnten. Ist schon ein paar Monate her, aber man erinnert sich dessen hier noch gern und häufig. Besonders wegen lustiger Geschichten, wie als die Jungs mal Zucker mit Salz verwechselt haben und so einen „Kaffee-mortale“ trinken mussten. Ansonsten schnorren sie von mir gemeinsam die Zigaretten und wechseln immer ein paar Worte mit mir. Hin und wieder versucht Andrej aber wieder sein Recht auf das eigene Quartier geltend zu machen, welches ihm durch eine Art Räuberbande abgenommen wurde. Die Sache lief ungefähr so: Irgendjemand hatte ihn als allein lebend ausgemacht. Dann wurde ihm mit Gewalt sein Pass abgepresst und nun kann er ohne Dokumente den Besitzanspruch nicht geltend machen. Manchmal versucht er aber doch noch wieder in seine Wohnung zu kommen, um dort zu duschen oder sich aufzuwärmen, was meist damit endet, dass er dort eingesperrt wird, um noch etwas von ihm zu erpressen, bis sich jemand seiner erinnert, vorbeikommt und die Polizei holt, die ihn dann aus der Wohnung freibekommt, aber ihm sein Eigentum natürlich nicht wiedergeben kann. Da also die beiden an einigen Tagen nicht zusammen ankommen, habe ich mir also auch heute erstmal nichts dabei gedacht, als nur Jura am Wagon stand, als ich mit Ruslan zur Arbeit „geglitten“ kam (fieses Glatteis heute über Tag).
Dann aber kam alles anders. Um Jura herum bildete sich bald eine Traube von Leuten und leicht erregtem Gespräch. Als ich endlich erfuhr worum es ging, stockte mir der Atem. Natürlich wollte ich es nicht glauben, bis ich es dann auch noch mit eigenen Augen sah. Nur wenige Meter von dem Weg entfernt, auf dem Ruslan und ich fünf Minuten vorher angekommen waren lag Andrej: Stocksteif gefroren. Die Augen offen. Die Hände verkrampft vom leblosen Körper gestreckt. In seiner alten rot-grün-blauen Jacke, den schwarzen, vor Kälte starrenden Hosen, in denen das Wasser gefroren war, die löchrigen Schuhe ausgezogen vor sich. Verglichen mit dem gewöhnlichen Ausdruck seines Gesichts, dem schlotternden Unterkiefer, der Augenpartie, die ständig von Angstfalten dominiert wird und gleichzeitig um eine menschliche Kleinigkeit flehen, lag etwas Friedfertiges in seinem Antlitz an diesem Morgen. Erst gestern hatte ich ihn noch getroffen, als er zum Wagon kam, als schon längst alles ausgegeben war. Er bat mich um ein bisschen Geld oder eine Zigarette, was ich beides nicht dabei hatte. Wir verabschiedeten uns damit, dass wir uns ja „morgen sehen werden“. „Wir“ war aber morgens schon im „Gestern“ erstarrt.
Angesichts der routinierten Reaktionen der anderen Obdachlosen und der Caritasmitarbeiter hielt ich meine Trauer zurück und verdrängte sie mit dem Gedanken, dass er jetzt nichts mehr zu fürchten hat. Er hatte es wirklich hinter sich, wie man diese lächerliche Phrase immer nach einem langen Leiden so häufig in der Grabrede ins Feld führt. Ich holte alles Positive aus dem Aphorismus und verbrachte so den Rest des Vormittags, monoton Tee und Brötchen ausgebend. Denke ich nun darüber nach, muss ich sagen, dass ich mir gewünscht hätte, jemand hätte diese Phrase auch nur kurz und beiläufig ausgesprochen, damit sie den Abklatsch einer Grabrede erfüllt hätte. Aber eine Grabrede wird es nicht geben. Auch keine Beerdigung. Wenn er Pech hat, bleibt Andrejs Körper so liegen, bis irgendwann die Zerfallsprozesse das ihrige tun. Wenn er Glück hat, wird er verscharrt. Als Ruslan und ich weggingen, lag er zumindest immer noch da. Die Polizei hatte ihn begutachtet. Im schlechtesten Fall für Jura werden sie ihm ein Gewaltverbrechen daraus basteln und ihn einsperren. Ist aber wohl eher wenig wahrscheinlich. Der Mann war so „klar wie Wintereis“ erfroren. Das ist das Schicksal als Obdachloser im Wolgograder Winter: Du verendest und keiner weiß auch nur, dass du mal existiert hast. Die Welt dreht sich weiter. Und selbst die wenigen, die von dir wussten, mit denen du vielleicht ein kleines Stück oder einen längeren Abschnitt deines Weges gegangen bist, halten dich nicht in Ehren. Ihre eigene Existenz rennt ihnen durch die Finger und sie schinden sich jede Sekunde, sie zu retten, den kostbaren Sand der Zeit aufzufangen und jeder Gedanke ist darauf fokussiert. Da bleibt keine Zeit für Grabrede, Rosenkranz in der Leichenhalle oder Kaffee und Schnittchen nach der Beerdigung. Schon eine Träne herauszupressen ist ihnen in dieser lebensfeindlichen Kälte eher ein Akt der Selbstzerstörung.
Aber Hiob meint es heute besonders gut mit mir. Als ich wieder nach Hause kam, wurde mir direkt offenbart, dass Andrej wohl nicht der einzige Tote Obdachlose dieses Winters bleiben wird. Russland lässt dem sonst eher weichen Ei Jörg wohl keine andere Wahl als zur harten Nuss zu werden.
Jura und Andrej verbindet ein gemeinsames Schicksal. Beide trinken sehr gern Wodka und haben kein ständiges Zuhause. Beide frieren also jede Nacht gemeinsam und kommen oft zusammen zum Wagon, um dort die warme Mahlzeit einzunehmen. Sie gehen in die katholische Kirche, sooft sie es einrichten können und haben auch schon einmal versucht für ein paar Tage hier im Haus zu leben, was sie allerdings bald aufgeben mussten, da sie dem Alkohol nicht abschwören wollten oder konnten. Ist schon ein paar Monate her, aber man erinnert sich dessen hier noch gern und häufig. Besonders wegen lustiger Geschichten, wie als die Jungs mal Zucker mit Salz verwechselt haben und so einen „Kaffee-mortale“ trinken mussten. Ansonsten schnorren sie von mir gemeinsam die Zigaretten und wechseln immer ein paar Worte mit mir. Hin und wieder versucht Andrej aber wieder sein Recht auf das eigene Quartier geltend zu machen, welches ihm durch eine Art Räuberbande abgenommen wurde. Die Sache lief ungefähr so: Irgendjemand hatte ihn als allein lebend ausgemacht. Dann wurde ihm mit Gewalt sein Pass abgepresst und nun kann er ohne Dokumente den Besitzanspruch nicht geltend machen. Manchmal versucht er aber doch noch wieder in seine Wohnung zu kommen, um dort zu duschen oder sich aufzuwärmen, was meist damit endet, dass er dort eingesperrt wird, um noch etwas von ihm zu erpressen, bis sich jemand seiner erinnert, vorbeikommt und die Polizei holt, die ihn dann aus der Wohnung freibekommt, aber ihm sein Eigentum natürlich nicht wiedergeben kann. Da also die beiden an einigen Tagen nicht zusammen ankommen, habe ich mir also auch heute erstmal nichts dabei gedacht, als nur Jura am Wagon stand, als ich mit Ruslan zur Arbeit „geglitten“ kam (fieses Glatteis heute über Tag).
Dann aber kam alles anders. Um Jura herum bildete sich bald eine Traube von Leuten und leicht erregtem Gespräch. Als ich endlich erfuhr worum es ging, stockte mir der Atem. Natürlich wollte ich es nicht glauben, bis ich es dann auch noch mit eigenen Augen sah. Nur wenige Meter von dem Weg entfernt, auf dem Ruslan und ich fünf Minuten vorher angekommen waren lag Andrej: Stocksteif gefroren. Die Augen offen. Die Hände verkrampft vom leblosen Körper gestreckt. In seiner alten rot-grün-blauen Jacke, den schwarzen, vor Kälte starrenden Hosen, in denen das Wasser gefroren war, die löchrigen Schuhe ausgezogen vor sich. Verglichen mit dem gewöhnlichen Ausdruck seines Gesichts, dem schlotternden Unterkiefer, der Augenpartie, die ständig von Angstfalten dominiert wird und gleichzeitig um eine menschliche Kleinigkeit flehen, lag etwas Friedfertiges in seinem Antlitz an diesem Morgen. Erst gestern hatte ich ihn noch getroffen, als er zum Wagon kam, als schon längst alles ausgegeben war. Er bat mich um ein bisschen Geld oder eine Zigarette, was ich beides nicht dabei hatte. Wir verabschiedeten uns damit, dass wir uns ja „morgen sehen werden“. „Wir“ war aber morgens schon im „Gestern“ erstarrt.
Angesichts der routinierten Reaktionen der anderen Obdachlosen und der Caritasmitarbeiter hielt ich meine Trauer zurück und verdrängte sie mit dem Gedanken, dass er jetzt nichts mehr zu fürchten hat. Er hatte es wirklich hinter sich, wie man diese lächerliche Phrase immer nach einem langen Leiden so häufig in der Grabrede ins Feld führt. Ich holte alles Positive aus dem Aphorismus und verbrachte so den Rest des Vormittags, monoton Tee und Brötchen ausgebend. Denke ich nun darüber nach, muss ich sagen, dass ich mir gewünscht hätte, jemand hätte diese Phrase auch nur kurz und beiläufig ausgesprochen, damit sie den Abklatsch einer Grabrede erfüllt hätte. Aber eine Grabrede wird es nicht geben. Auch keine Beerdigung. Wenn er Pech hat, bleibt Andrejs Körper so liegen, bis irgendwann die Zerfallsprozesse das ihrige tun. Wenn er Glück hat, wird er verscharrt. Als Ruslan und ich weggingen, lag er zumindest immer noch da. Die Polizei hatte ihn begutachtet. Im schlechtesten Fall für Jura werden sie ihm ein Gewaltverbrechen daraus basteln und ihn einsperren. Ist aber wohl eher wenig wahrscheinlich. Der Mann war so „klar wie Wintereis“ erfroren. Das ist das Schicksal als Obdachloser im Wolgograder Winter: Du verendest und keiner weiß auch nur, dass du mal existiert hast. Die Welt dreht sich weiter. Und selbst die wenigen, die von dir wussten, mit denen du vielleicht ein kleines Stück oder einen längeren Abschnitt deines Weges gegangen bist, halten dich nicht in Ehren. Ihre eigene Existenz rennt ihnen durch die Finger und sie schinden sich jede Sekunde, sie zu retten, den kostbaren Sand der Zeit aufzufangen und jeder Gedanke ist darauf fokussiert. Da bleibt keine Zeit für Grabrede, Rosenkranz in der Leichenhalle oder Kaffee und Schnittchen nach der Beerdigung. Schon eine Träne herauszupressen ist ihnen in dieser lebensfeindlichen Kälte eher ein Akt der Selbstzerstörung.
Aber Hiob meint es heute besonders gut mit mir. Als ich wieder nach Hause kam, wurde mir direkt offenbart, dass Andrej wohl nicht der einzige Tote Obdachlose dieses Winters bleiben wird. Russland lässt dem sonst eher weichen Ei Jörg wohl keine andere Wahl als zur harten Nuss zu werden.
Ein deutsches Wochenende
Zwei große Zehen Knoblauch, eine halbe Zwiebel, Tomatenmark, Wasser, Pfeffer und Salz, eine große Prise Basilikum. Makkaroni für vier. Ich stehe in der Küche, Cordhose, schwarzes T-Shirt, Hosenträger, damit die Beinkleider an meinem mittlerweile, glaube ich, dünnerem Körper nicht herunterrutschen. Marko ist drüben, bei Davor auf einem Treffen der Organisation „Papa Giovanni XXIII“. Sascha auf der Arbeit. Jura isst nicht mit. Also sind nur Ruslan, Anatoli und ich am Start. Nummer vier bildet David, der aus Astrachan mitgekommen ist. Zehn Minuten, eine blöde Bemerkung seitens Davids ob verirrten Modegeschmacks und einigen Abschmecklöffeln für die Soße können wir essen.
Nach dem Essen geht es erstmal in die „Kurilka“. Geschichten austauschen. Wer hat die schlechteren Mitarbeiter in seinen Projekten, wer hat die blöderen Freunde und wer hat den eintönigsten Alltag. Gegenseitiges Bemitleiden zweier Freiwilliger, für die der russische Winter Einzug gehalten hat. Ich will nicht sagen, dass mein Alltag nunmehr nervt und ich hier in der Kälte vor mich hinschimmle, aber gewisse Dinge kehren nun doch immer wieder und bilden die graue Wand, in der man schwerer Farbkleckse findet, als in der bunten, neuen Welt, die mir entgegenstand als ich ankam.
Nach einigem Bitten von Ruslan machen wir uns dann direkt fertig für einen Spaziergang. Mein neues schwarzes Fleecehemd drunter geht es dann mit Schal und Handschuhen ins verschneite Wolgograd in Richtung „Park House“. Dort wird dann erstmal ein neuer Fotoapparat für David geshoppt. Wir haben uns sogar den Luxus einer Bedienung gegönnt, deren Gebrabbel für uns so Aufschlussreich war wie Erklärungen zu Integralrechnung nach einer völlig durchzechten Nacht. So beschränkten wir uns auf das Notwendigste: „Gute Firma? Wie viel Megapixel? Mit Akku oder Batterien? Großes Display? Kann man Filme aufnehmen etc?“ Als wir endlich fertig waren (Verkaufsgespräche in einer Fremdsprache sind echt das Letzte) sind wir auch fix raus aus dem riesigen Glasklotz westlicher Enklave, um uns wieder in russische Wetter zu begeben.
Mit dem Bus ging es dann ins Stadtzentrum, wo wir dann eine kleine Schneeballschlacht am Wolgaufer gegen Ruslan anzettelten und dann auch schon wieder nach Hause mussten (nicht ohne dass David uns noch zum Kauf einiger Kottletti genötigt hätte – tja, diese Astrachaner kennen so was „Zivilisiertes“, Leckeres natürlich nicht). Sehr witzig war dann die Heimfahrt in der Maschrutka, als unsere Sitznachbarinnen dachten, die Ausländer verstünden überhaupt nicht, worüber sie reden, während wir sicher sein konnten, dass sie kein Wort verstanden. Wieder zuhause ging es dann erstmal zu Davor, um bei dem Meeting unsere Aufwartung in Form einer Vorstellung zu machen. Danach dann direkt in den Supermarkt, um ein wenig Bier für den Abend klar zu kriegen.
Am Sonntag nach der Messe fuhren wir dann in einen anderen Teil Wolgograds, wo einmal eine deutsche Siedlung gewesen war. Dort fand dann ein Treffen aller Deutschen, die über längere Zeit in der Stadt sind, statt. Einem langweiligen Museumsbesuch folgte gemeinsames Essen und Trinken im evangelischen Gemeindehaus. Den Abschluss des Tages bildeten ein paar Stücke an der Orgel der evangelischen Kirche, worauf wir dann wieder ins Zentrum fuhren. Abends gab es dann wieder Bier und Gelaber mit David.
Das fand Sonntag seinen krönenden Abschluss im „Ramstore“, einem großen Kaufhaus mit mehreren Restaurants und Cafés auf mehreren Ebenen. Dort haben wir uns dann in eine kleine Ecke verzogen, Kaffee und Bier getrunken, gegessen und ganz viel geredet und geraucht. Wie herrlich das war mal wieder deutsch zu sprechen! Mittlerweile bin ich hier nämlich schon ziemlich russifiziert. Von „Leningrad“, einer echt verdammt lustigen russischen SKA-Band, habe ich mir nun auch schon Alben zugelegt und fluche auf Russisch. Sogar diese Füllwörter, die man zwischen zwei Aufgaben manchmal vor sich hinbrabbelt haben ihr Sprachgewand gewandelt. Ich sage nicht mehr „so“, wenn ich fertig bin, sondern „так“ (wird genau so ausgesprochen) und denke manchmal sogar auf Russisch, was ich hin und wieder ganz witzig finde und mir das Antworten auch leichter macht, sodass ich von Jura weniger oft ein „Блядь не русский“ (Soviel wie „Verdammt, kein Russe“) kassieren muss. Andererseits macht es mich aber auch ein Stück weit stutzig, dass das liebe Deutsche in einigen Momenten so schnell schwindet. Und von Vorteil ist es auch nicht immer, wenn man auf Russisch flucht, denn das verstehen die Kids im Kinderzentrum natürlich auch und wenn ich dann beim Tischtennis einen Aufschlag mit einem kaum unterdrückten „Сука!“ (wörtl.: „Schlampe!“, aber normal im Gebrauch etwa wie „Scheiße!“) ins Netz haue, bröckelt das Bild vom makellosen Vorbild, was die Leute bei der Caritas gern aus mir gemacht hätten. Mir persönlich ist aber eh lieber, dass die Kleinen jemanden haben, den sie auch trotz (vielleicht auch vor allem wegen) seiner Fehler respektieren, damit ich mich nicht verstellen muss. Schließlich ist die Welt sicher nicht nur eine Realität aus 20m² für vier Leute, mit besoffenem Papa, der nur rumpöbelt und hysterischer Mama, die nur weint, aber sie ist auch kein heiliges Elysium.
Ich belasse es erstmal mit diesem kleinen Eintrag, damit ich nicht gleich wieder einen halben Roman auf das digitale Papier setze, dann Hoffnungen auf ständig so viel Erguss zu machen, nur um dann wieder eineinhalb Wochen nichts zu schreiben.
Es verbleibt mit vergnüglichen Grüßen
Der kommende Hauptdarsteller des weihnachtlichen Krippenspiels der katholischen Gemeinde Wolgograds
Nach dem Essen geht es erstmal in die „Kurilka“. Geschichten austauschen. Wer hat die schlechteren Mitarbeiter in seinen Projekten, wer hat die blöderen Freunde und wer hat den eintönigsten Alltag. Gegenseitiges Bemitleiden zweier Freiwilliger, für die der russische Winter Einzug gehalten hat. Ich will nicht sagen, dass mein Alltag nunmehr nervt und ich hier in der Kälte vor mich hinschimmle, aber gewisse Dinge kehren nun doch immer wieder und bilden die graue Wand, in der man schwerer Farbkleckse findet, als in der bunten, neuen Welt, die mir entgegenstand als ich ankam.
Nach einigem Bitten von Ruslan machen wir uns dann direkt fertig für einen Spaziergang. Mein neues schwarzes Fleecehemd drunter geht es dann mit Schal und Handschuhen ins verschneite Wolgograd in Richtung „Park House“. Dort wird dann erstmal ein neuer Fotoapparat für David geshoppt. Wir haben uns sogar den Luxus einer Bedienung gegönnt, deren Gebrabbel für uns so Aufschlussreich war wie Erklärungen zu Integralrechnung nach einer völlig durchzechten Nacht. So beschränkten wir uns auf das Notwendigste: „Gute Firma? Wie viel Megapixel? Mit Akku oder Batterien? Großes Display? Kann man Filme aufnehmen etc?“ Als wir endlich fertig waren (Verkaufsgespräche in einer Fremdsprache sind echt das Letzte) sind wir auch fix raus aus dem riesigen Glasklotz westlicher Enklave, um uns wieder in russische Wetter zu begeben.
Mit dem Bus ging es dann ins Stadtzentrum, wo wir dann eine kleine Schneeballschlacht am Wolgaufer gegen Ruslan anzettelten und dann auch schon wieder nach Hause mussten (nicht ohne dass David uns noch zum Kauf einiger Kottletti genötigt hätte – tja, diese Astrachaner kennen so was „Zivilisiertes“, Leckeres natürlich nicht). Sehr witzig war dann die Heimfahrt in der Maschrutka, als unsere Sitznachbarinnen dachten, die Ausländer verstünden überhaupt nicht, worüber sie reden, während wir sicher sein konnten, dass sie kein Wort verstanden. Wieder zuhause ging es dann erstmal zu Davor, um bei dem Meeting unsere Aufwartung in Form einer Vorstellung zu machen. Danach dann direkt in den Supermarkt, um ein wenig Bier für den Abend klar zu kriegen.
Am Sonntag nach der Messe fuhren wir dann in einen anderen Teil Wolgograds, wo einmal eine deutsche Siedlung gewesen war. Dort fand dann ein Treffen aller Deutschen, die über längere Zeit in der Stadt sind, statt. Einem langweiligen Museumsbesuch folgte gemeinsames Essen und Trinken im evangelischen Gemeindehaus. Den Abschluss des Tages bildeten ein paar Stücke an der Orgel der evangelischen Kirche, worauf wir dann wieder ins Zentrum fuhren. Abends gab es dann wieder Bier und Gelaber mit David.
Das fand Sonntag seinen krönenden Abschluss im „Ramstore“, einem großen Kaufhaus mit mehreren Restaurants und Cafés auf mehreren Ebenen. Dort haben wir uns dann in eine kleine Ecke verzogen, Kaffee und Bier getrunken, gegessen und ganz viel geredet und geraucht. Wie herrlich das war mal wieder deutsch zu sprechen! Mittlerweile bin ich hier nämlich schon ziemlich russifiziert. Von „Leningrad“, einer echt verdammt lustigen russischen SKA-Band, habe ich mir nun auch schon Alben zugelegt und fluche auf Russisch. Sogar diese Füllwörter, die man zwischen zwei Aufgaben manchmal vor sich hinbrabbelt haben ihr Sprachgewand gewandelt. Ich sage nicht mehr „so“, wenn ich fertig bin, sondern „так“ (wird genau so ausgesprochen) und denke manchmal sogar auf Russisch, was ich hin und wieder ganz witzig finde und mir das Antworten auch leichter macht, sodass ich von Jura weniger oft ein „Блядь не русский“ (Soviel wie „Verdammt, kein Russe“) kassieren muss. Andererseits macht es mich aber auch ein Stück weit stutzig, dass das liebe Deutsche in einigen Momenten so schnell schwindet. Und von Vorteil ist es auch nicht immer, wenn man auf Russisch flucht, denn das verstehen die Kids im Kinderzentrum natürlich auch und wenn ich dann beim Tischtennis einen Aufschlag mit einem kaum unterdrückten „Сука!“ (wörtl.: „Schlampe!“, aber normal im Gebrauch etwa wie „Scheiße!“) ins Netz haue, bröckelt das Bild vom makellosen Vorbild, was die Leute bei der Caritas gern aus mir gemacht hätten. Mir persönlich ist aber eh lieber, dass die Kleinen jemanden haben, den sie auch trotz (vielleicht auch vor allem wegen) seiner Fehler respektieren, damit ich mich nicht verstellen muss. Schließlich ist die Welt sicher nicht nur eine Realität aus 20m² für vier Leute, mit besoffenem Papa, der nur rumpöbelt und hysterischer Mama, die nur weint, aber sie ist auch kein heiliges Elysium.
Ich belasse es erstmal mit diesem kleinen Eintrag, damit ich nicht gleich wieder einen halben Roman auf das digitale Papier setze, dann Hoffnungen auf ständig so viel Erguss zu machen, nur um dann wieder eineinhalb Wochen nichts zu schreiben.
Es verbleibt mit vergnüglichen Grüßen
Der kommende Hauptdarsteller des weihnachtlichen Krippenspiels der katholischen Gemeinde Wolgograds
Montag, 26. November 2007
Fotos
So, nun gibt es endlich auch Fotos aus dem "wilden Osten".
Anzusehen ueber www.studivz.net
Koennt ja mal gucken.
Marten, waere nett, wenn du mir nochmal sagst, wie ich das verlinke.
Anzusehen ueber www.studivz.net
Koennt ja mal gucken.
Marten, waere nett, wenn du mir nochmal sagst, wie ich das verlinke.
Samstag, 24. November 2007
Mein Geburtstag.
Wie habe ich meinen Geburtstag in Russland verlebt? Diese Frage stellten mir viele und meinten damit, wie der Tag, dessen Datum identisch mit dem ist, an dem ich vor zwanzig Jahren das Licht der Welt erblickt habe, sich gestaltet hat. Nun, darauf kann man leicht antworten. Ich bin morgens aufgestanden, habe mich geduscht, mir nette Klamotten angezogen und bin dann wieder nach unten gegangen, wo mir alle gratulierten. Dann habe ich mir Tee gemacht und mir ein paar Plätzchen reingeschoben. Wir sind danach direkt zur Arbeit gefahren, das heißt zum Caritaswagon und haben dort Suppe, Tee und Brot an die Obdachlosen ausgeteilt, wobei ich diesmal die Suppe übernommen habe, da Marco sich besonders um Einzelfälle kümmern musste, sodass er die weniger stressige Aufgabe des Teeeinschenkens übernommen hat. Nach der Speisung habe ich mich mit Miraella, die aus Astrachan zu uns hochgefahren ist, und einem Obdachlosen unterhalten. Nachdem einige von den Jungs dann spitzbekommen hatten, dass ich Geburtstag hatte, gab es auch von ihnen Gratulationen und von mir Zigaretten. Auf dem Weg zurück wählte ich dann das Abendessen (Pizza) aus. Zuhause angekommen bin ich dann direkt zum Supermarkt marschiert, um Bier, Cola und Chips einzukaufen. Zum Mittag waren wir dann (aufgrund einer Autopanne bei Marco und Jura) nur zu viert. Aber Miraella, Anatoli, Ruslan und ich haben es uns auch so schmecken lassen. Danach bin ich dann aufs Zimmer, habe trompetet und gelesen. Im Anschluss gab es eine Flut von Anrufen (primär aus Deutschland), das Abendessen, die Geschenkübergabe am Abend und noch mehr Anrufe.
Das war also mein Zwanzigster. Und er war es so nicht ganz. Denn diese Darstellung begrenzt ganz ungemein den Tag auf seine immanenten Ereignisse, was der Realität nicht wirklich nahe kommen kann. So muss ich erstmal hinzufügen, dass dieser wenig als solcher gefeierte Ehrentag trotzdem ein schöner war, auch wenn er auf den ersten Blick sehr nach Alltag aussieht. Das war er aber eigentlich gar nicht. So war das Geschenk (ein klassisch russischer Pullover) meiner – wie soll ich sagen – Mitbewohner sorgfältig ausgesucht und wir haben uns abends wirklich gut amüsiert. Es war hier wirklich kein wenig überschwänglich, aber gerade deswegen irgendwie angenehm. Und auch nicht „irgendwie“ angenehm, sondern authentisch angenehm. Es hat sich niemand gemeldet oder es ist niemand vorbeigekommen, der nur vom 30-Literbierfass einen Teil grabschen wollte und deswegen fünf Euro auf eine Tafel Schokolade gequetscht hat (oder hat quetschen lassen). Ich bin ja kein Freund des Schauspiels, welches sich nicht als solches „outet“. Oder, wenn man sowieso alles nur Spiel ist, was man auch annehmen dürfen muss, bin ich zumindest kein Freund des Schauspiels, was über das Unumgängliche hinausgeht. Aber genug davon. Ich habe die Einfachheit hier „einfach“ genossen.
Das zweite, was wichtig wäre zu erwähnen, ist, dass sich mein Geburtstag nicht auf die knapp bemessenen 24 Stunden des 19.11. erstreckte, sonder darüber hinaus noch bis in den Mittwoch hineinging. So gab es noch am Dienstag eine kleine Feier mit Saft, Torte und einem kleinen Präsent im Kinderzentrum. Dort hatten die Kinder ein Heftchen vorbereitet mit Glückwünschen, sowie zwei Fotos, die mich mit ihnen bei verschiedenen Tätigkeiten zeigen. Am Mittwoch gab es dann noch ein Extra-Geschenk von Sergej, mit dem ich hier immer die Französischhausaufgaben mache. Der hatte mir eine Karte, Konfekt und eine kleine Gipsmalerei gekauft und letztere selbst mit Farben verschönert. Die Karte haben wir danach gemeinsam auf Französisch übersetzt. Das kleine Bild, welches eine Schweinemama bei der Hausarbeit zeigt, bedeutet mir dabei unglaublich viel. Wie lange kenne ich diesen Jungen und in welche Unkosten stürzt er sich da schon? Und was für einen Aufwand er sich gemacht hat. Hätte ich ihn nicht beruhigt wäre er direkt den ganzen Tag unglücklich gewesen, weil auf der Gipsplatte am Rande zwei kleine Macken sind, über die er sich unglaublich erregen konnte. Mein Geburtstag war insofern also ein Ereignis, welches mir gezeigt hat, dass ich hier schon stark (ich bin schon versucht zu sagen „vollkommen“) integriert bin und gute Freunde gefunden habe, die sich genau so wie es ihnen angemessen scheint um mich sorgen und mit mir feiern. Aber auch das ist immer noch nicht alles.
Die Sache ist nämlich die, dass ich meinen Geburtstag nicht nur in Russland gefeiert habe, sondern in gewisser Weise auch in Deutschland. Schon alleine die vielen Anrufe, die Emails zeigen schließlich, dass auch hunderte Kilometer weit weg noch an mich gedacht wird und ich dort nicht vergessen wurde. Auch das hat mich riesig gefreut, aber ich wähle hier so öffentlich keine Worte, um das wirklich ausdrücken zu können, weil ich das nicht für den richtigen Ort halte.
Seit aber nun hierdurch auf jeden Fall versichert, dass es mir an meinem Geburtstag an nichts gefehlt hat, was ich für Geburtstagsfeeling als nötig befunden hätte. Im Gegenteil habe ich einen Geburtstag verlebt, der ganz nach meinem Geschmack war. Und er passt zu Russland.
Nächster Artikel. Dieser ist misslungen. Musste misslingen. Aber auch trotzdem geschrieben werden.
Das war also mein Zwanzigster. Und er war es so nicht ganz. Denn diese Darstellung begrenzt ganz ungemein den Tag auf seine immanenten Ereignisse, was der Realität nicht wirklich nahe kommen kann. So muss ich erstmal hinzufügen, dass dieser wenig als solcher gefeierte Ehrentag trotzdem ein schöner war, auch wenn er auf den ersten Blick sehr nach Alltag aussieht. Das war er aber eigentlich gar nicht. So war das Geschenk (ein klassisch russischer Pullover) meiner – wie soll ich sagen – Mitbewohner sorgfältig ausgesucht und wir haben uns abends wirklich gut amüsiert. Es war hier wirklich kein wenig überschwänglich, aber gerade deswegen irgendwie angenehm. Und auch nicht „irgendwie“ angenehm, sondern authentisch angenehm. Es hat sich niemand gemeldet oder es ist niemand vorbeigekommen, der nur vom 30-Literbierfass einen Teil grabschen wollte und deswegen fünf Euro auf eine Tafel Schokolade gequetscht hat (oder hat quetschen lassen). Ich bin ja kein Freund des Schauspiels, welches sich nicht als solches „outet“. Oder, wenn man sowieso alles nur Spiel ist, was man auch annehmen dürfen muss, bin ich zumindest kein Freund des Schauspiels, was über das Unumgängliche hinausgeht. Aber genug davon. Ich habe die Einfachheit hier „einfach“ genossen.
Das zweite, was wichtig wäre zu erwähnen, ist, dass sich mein Geburtstag nicht auf die knapp bemessenen 24 Stunden des 19.11. erstreckte, sonder darüber hinaus noch bis in den Mittwoch hineinging. So gab es noch am Dienstag eine kleine Feier mit Saft, Torte und einem kleinen Präsent im Kinderzentrum. Dort hatten die Kinder ein Heftchen vorbereitet mit Glückwünschen, sowie zwei Fotos, die mich mit ihnen bei verschiedenen Tätigkeiten zeigen. Am Mittwoch gab es dann noch ein Extra-Geschenk von Sergej, mit dem ich hier immer die Französischhausaufgaben mache. Der hatte mir eine Karte, Konfekt und eine kleine Gipsmalerei gekauft und letztere selbst mit Farben verschönert. Die Karte haben wir danach gemeinsam auf Französisch übersetzt. Das kleine Bild, welches eine Schweinemama bei der Hausarbeit zeigt, bedeutet mir dabei unglaublich viel. Wie lange kenne ich diesen Jungen und in welche Unkosten stürzt er sich da schon? Und was für einen Aufwand er sich gemacht hat. Hätte ich ihn nicht beruhigt wäre er direkt den ganzen Tag unglücklich gewesen, weil auf der Gipsplatte am Rande zwei kleine Macken sind, über die er sich unglaublich erregen konnte. Mein Geburtstag war insofern also ein Ereignis, welches mir gezeigt hat, dass ich hier schon stark (ich bin schon versucht zu sagen „vollkommen“) integriert bin und gute Freunde gefunden habe, die sich genau so wie es ihnen angemessen scheint um mich sorgen und mit mir feiern. Aber auch das ist immer noch nicht alles.
Die Sache ist nämlich die, dass ich meinen Geburtstag nicht nur in Russland gefeiert habe, sondern in gewisser Weise auch in Deutschland. Schon alleine die vielen Anrufe, die Emails zeigen schließlich, dass auch hunderte Kilometer weit weg noch an mich gedacht wird und ich dort nicht vergessen wurde. Auch das hat mich riesig gefreut, aber ich wähle hier so öffentlich keine Worte, um das wirklich ausdrücken zu können, weil ich das nicht für den richtigen Ort halte.
Seit aber nun hierdurch auf jeden Fall versichert, dass es mir an meinem Geburtstag an nichts gefehlt hat, was ich für Geburtstagsfeeling als nötig befunden hätte. Im Gegenteil habe ich einen Geburtstag verlebt, der ganz nach meinem Geschmack war. Und er passt zu Russland.
Nächster Artikel. Dieser ist misslungen. Musste misslingen. Aber auch trotzdem geschrieben werden.
Sonntag, 18. November 2007
Endlich Russe
Heute habe ich es geschafft! Ich bin endlich Russe geworden. Das heißt, ich besitze nun ein Papier auf dem das steht. Oder zumindest etwas Ähnliches, was ich so ganz genau auch nicht verstehe. Im Grunde ist es auch nur ein Nachweis, dass ich die Sprache beherrsche. Oder auch nur ein Zertifikat, das die höchst erfolgreiche (mit „5“ abgeschlossen, das ist das Maximum hier) Teilnahme an 64 Stunden Russischunterricht an der Uni bescheinigt.
Wenn man das alles so genau nimmt, vergeht der Zauber dieses Papiers auch im Nu. Aber davon will ich mich nicht beeindrucken lassen. Von den Leuten hier im Haus habe ich dafür schon Annerkennung bekommen. Soll heißen, dass sogar Jura nichts Abfälliges von sich gegeben hat, als ich ihm den Zettel unter die Nase hielt. Das hat mir echt Mut gemacht. Seine rausgelullte Frage, die dem folgte habe ich natürlich direkt wieder nicht verstanden, was wieder Balsam für die Seele des Realisten und Salz in die Wunde des Glücklichen war. Nachdem er dann noch mal deutlich wiederholt hatte was er wollte, konnte ich dann aber doch folgen und ihm antworten, dass das Blättchen mir momentan wirklich nichts nützt, aber eventuell später mal von Bedeutung sein könnte, bla, bla, bla.
Ach ja, zu Jura könnte man hier allein einen ganzen Roman und zwei Bildergalerien reinstellen. Die Bildergalerien besitze ich (zumindest zum Teil) schon hier, auf dem Computer, während der Roman nur in meinem Kopf schwirrt und einen Teil dessen versuche ich diesem mal zu entlocken, um wieder Futter für alle Lesebegierigen in den großen Trog „Internet“ zu füllen.
Sicher werden sich einige schon gefragt haben was das überhaupt für ein komischer Typ sein muss, der dreißig Jahre seines Lebens im Knast verbracht hat. Da kann ich natürlich nur zustimmen, denn alles andere wäre nur eine dämliche Romantisierung eines stieseligen, alten Mannes, was mir, Novalis sei Dank, fern liegt.
Zuerst mal zu seinem Äußeren: Ich kann mich im Moment nicht erinnern, ob ich schon von der riesigen Kreml-Tätowierung auf seiner Brust geschrieben habe und bin auch zu faul um nachzusehen, deswegen erwähne ich dieses „Markenzeichen“ schon mal im voraus, denn es ist wirklich das, was einem ins Auge springt, wenn man den guten Mann im Sommer das erste Mal „oben ohne“ kennen lernt. An sich ist Jura von kompakter Gestalt. Eher klein gehalten, ein wenig gedrungen, eher ein bisschen zu viel auf den Rippen, was zum großen Teil aber auch Muskelmasse ist, was man hin und wieder mal schmerzlich zu spüren bekommen kann. Den Kopf zieren zirka 73 Haare (ich bin durch das Maschrutkafahren zu einem wahren Zahlengenie geworden, weswegen erzähle ich später) oder, einfach ausgedrückt, ein kleiner Kranz um den Kopf, ein weißer Heiligenschein, den er sich ständig kurz rasieren lässt. Den Bart rasiert er sich nicht gerade regelmäßig, aber so, dass er meist ansehnlich ist. Der Kopf ist im Großen und Ganzen eine Bowlingkugel, die er auch ohne weiteres hin und wieder als Abrissbirne verwenden kann (Achtung: Kopfstoß, Herr Zidane!). Die Augen sind meist eh schon kleine Schlitze in einer Mondlandschaft aus Leder, die von seinem Gesicht übrig geblieben ist. Wenn das Bärchen aber maulig wird, können diese kleinen Schlitze immer noch weiter zu Schießscharten böser Blicke werden.. Den sibirischen Bären komplettieren ein (weil zahnloser) eingefallener Mund und seine Klamotten, die aus uralten Strickpullis (manchmal auch mit Kapuze) und Jogginghosen bestehen.
Wichtig ist bei Jura, dass man nie und ich wiederhole „NIE!“ davon ausgehen sollte, dass er gerade ausgelassen sei. Egal wie schön der Tag ist oder wie lange man für sein Abendessen am Herd stand, wie lange man das Haus aufgeräumt hat, wie viel man irgendwo geschuftet hat oder was man sonst so verbracht haben mag, was einem Gutes oder überwundenes Schlechtes widerfahren ist: es ist ihm (im besten Falle) scheißegal. So hat Sascha heute ein neues Auto für sich gekauft: Seinen ersten Wagen. Wir (das sind Marco, Sascha und ich) haben das natürlich gleich mit einem Bierchen und Zigaretten in der Kurilka eingeweiht. Jura hat nur sein Bier genommen und dann nichts mehr gesagt, bis sich das Thema änderte. Als Marco und ich letztens Hühnchen in Pilzsoße zubereitet haben (und das hat lange gedauert im Vergleich zu einer Packung Pjelmini(russische Spezialität, sieht aus wie weiße Tortellini, der Teig ist aber ein anderer und die Füllung ist nur auf Fleisch beschränkt. Was der Unterschied zwischen russischen und sibirischen Pjelmini sein soll habe ich noch nicht begriffen)), kam Jura zum Tisch, aß die Hälfte, nahm sich dann eine Schnitte Brot, sagte, es würde ihm nicht sonderlich schmecken und ging wieder. Als es im Sommer herrlich warm war (nachdem für ein paar Tage schon ein bisschen Kälte eingekehrt war, also quasi Altweibersommer) bemerkte ich einmal, nur um ein Gespräch zu führen, was für ein schönes Wetter wir doch hätten (ich bin selbst kein Freund von Wettergesprächen, wenn man aber nicht viel anderes sagen kann, muss einem das, der Kommunikation zur Liebe, verziehen werden). Was für ein Unwetter da aufzog! Sofort wurden die Schießscharten bereitgemacht, ein Aufklärungsblick wurde in meine Richtung gesandt. Dann: Feuer frei! „Ein Scheißwetter haben wir! Bei der blöden Sonne gehen uns doch alle Blumen ein! Und wir schwitzen uns hier sonst was zusammen...“
Und das sind noch die besseren Zusammentreffen mit Jura. Die meiste Zeit über verstehe ich nämlich überhaupt gar nichts von dem was er mir so erzählt. „Erzählt“ ist auch wieder nicht das richtige Wort. Eigentlich brüllt er mich fast an, da er wohl meint, dass ich dann besser verstünde was er will. Nur greift in dem Moment für mich das eher nicht-sprachliche Element eines lauten Schalls, was mich in eine eher Abwehrposition drängt, als dass ich genauer zuhören würde und könnte was der nette Alte denn von mir will. Der Probleme sind nämlich gleich zwei. Zum einen lispelt Jura durch sein „modifiziertes“ Mundwerk ungemein und spricht meist sowieso schon unverständlich. Dazu – und das ist gravierender – kommt dann meist noch der Slang. Und was für einer! Ich hatte schon fast vergessen, dass man sich komplett außerhalb jeglicher Wörterbuchvokabeln unterhalten kann. Und das tut er gern.
So kann man sagen, dass es meist nicht einfach ist mir Jura zusammen zu leben. Warum mache ich das aber trotzdem gern? Zum einen, weil ich weiß, dass er eigentlich ein netter Kerl ist, aber das ist Weltanschauung, meine religiöse Überzeugung und für viele eine so hohle Floskel, dass man mich allein dafür in die Tonne kloppen dürfte. Aber es gibt ja noch einen anderen Grund. Wenn dir so ein Stinkstiefel nämlich erlaubt mit ihm zusammen zu kochen (und sei es auch nur neben ihm zu stehen und zuzuhören und zuzusehen) oder dich eine einzige Schraube bei der Reparatur eines Stuhles andrehen lässt (nachdem du ihm zehnmal damit auf den Sack gegangen bist, dass du deine Hilfe anbietest) oder (und ich gebe zu, dass dieses Beispiel schon paradox scheint) dir mal mit voller Wucht (aber auch in voller Freundschaft) gegen den Oberschenkel boxt, verstehst du, dass er dich doch auch gern hat. Das zeigt er nur selten, aber er tut es. Mittlerweile zu einem Running-Gag für mich (wie er das genau sieht weiß ich nicht) haben sich gewisse Situationen in der Kurilka entwickelt. Ich sitze drinnen und rauche vielleicht gerade meine vierte Zigarette am Tag, während von seinen schon etwa zehn im Aschenbecher liegen (und vielleicht noch genau so viele draußen im Garten). Und dann kommt der Auftritt: „Ты куришь и куришь...“ („Du rauchst und rauchst…“), was von einem vehementen Schütteln der großen Bowlingkugel begleitet wird. Darauf grinse ich und zwinkere ihm zu. „Иди на хуй, блядь!“ (Ist sicherlich auch nicht ganz richtig geschrieben, vielleicht gibt es auch genau so wenig eine Schreib- wie eine adäquate Übersetzungsweise, ich übersetze mal am wenigsten krass mit: „Ach, bleib mir doch gestohlen, Alter!“ (eig: „Geh zum Schwanz (oder ein anderes obszönes Wort für Penis)“ – das letzte Wort lässt sich einfach gar nicht übersetzen) murmelt er dann vor sich hin und geht wieder raus, um draußen entweder die Tauben zu füttern oder irgendetwas zu bauen.
Sein „ein und alles“ ist im Übrigen der Köter, Muktar. Er hat ihn sogar als Hintergrundbildchen auf seinem neuen Handy. Man stelle sich den alten Bären mit seiner umgedrehten Mütze, seinem Pulli mit Kapuze und einem modernen „Klapphandy“ vor – zu geil. Könnte direkt aus der Bronx kommen. Ein bisschen zerfurcht, sogar für einen „Gangsta“, aber sonst ganz cool.
Ich zieh mir noch einen Film rein und gehe dann schlafen.
Gute Nacht.
Wenn man das alles so genau nimmt, vergeht der Zauber dieses Papiers auch im Nu. Aber davon will ich mich nicht beeindrucken lassen. Von den Leuten hier im Haus habe ich dafür schon Annerkennung bekommen. Soll heißen, dass sogar Jura nichts Abfälliges von sich gegeben hat, als ich ihm den Zettel unter die Nase hielt. Das hat mir echt Mut gemacht. Seine rausgelullte Frage, die dem folgte habe ich natürlich direkt wieder nicht verstanden, was wieder Balsam für die Seele des Realisten und Salz in die Wunde des Glücklichen war. Nachdem er dann noch mal deutlich wiederholt hatte was er wollte, konnte ich dann aber doch folgen und ihm antworten, dass das Blättchen mir momentan wirklich nichts nützt, aber eventuell später mal von Bedeutung sein könnte, bla, bla, bla.
Ach ja, zu Jura könnte man hier allein einen ganzen Roman und zwei Bildergalerien reinstellen. Die Bildergalerien besitze ich (zumindest zum Teil) schon hier, auf dem Computer, während der Roman nur in meinem Kopf schwirrt und einen Teil dessen versuche ich diesem mal zu entlocken, um wieder Futter für alle Lesebegierigen in den großen Trog „Internet“ zu füllen.
Sicher werden sich einige schon gefragt haben was das überhaupt für ein komischer Typ sein muss, der dreißig Jahre seines Lebens im Knast verbracht hat. Da kann ich natürlich nur zustimmen, denn alles andere wäre nur eine dämliche Romantisierung eines stieseligen, alten Mannes, was mir, Novalis sei Dank, fern liegt.
Zuerst mal zu seinem Äußeren: Ich kann mich im Moment nicht erinnern, ob ich schon von der riesigen Kreml-Tätowierung auf seiner Brust geschrieben habe und bin auch zu faul um nachzusehen, deswegen erwähne ich dieses „Markenzeichen“ schon mal im voraus, denn es ist wirklich das, was einem ins Auge springt, wenn man den guten Mann im Sommer das erste Mal „oben ohne“ kennen lernt. An sich ist Jura von kompakter Gestalt. Eher klein gehalten, ein wenig gedrungen, eher ein bisschen zu viel auf den Rippen, was zum großen Teil aber auch Muskelmasse ist, was man hin und wieder mal schmerzlich zu spüren bekommen kann. Den Kopf zieren zirka 73 Haare (ich bin durch das Maschrutkafahren zu einem wahren Zahlengenie geworden, weswegen erzähle ich später) oder, einfach ausgedrückt, ein kleiner Kranz um den Kopf, ein weißer Heiligenschein, den er sich ständig kurz rasieren lässt. Den Bart rasiert er sich nicht gerade regelmäßig, aber so, dass er meist ansehnlich ist. Der Kopf ist im Großen und Ganzen eine Bowlingkugel, die er auch ohne weiteres hin und wieder als Abrissbirne verwenden kann (Achtung: Kopfstoß, Herr Zidane!). Die Augen sind meist eh schon kleine Schlitze in einer Mondlandschaft aus Leder, die von seinem Gesicht übrig geblieben ist. Wenn das Bärchen aber maulig wird, können diese kleinen Schlitze immer noch weiter zu Schießscharten böser Blicke werden.. Den sibirischen Bären komplettieren ein (weil zahnloser) eingefallener Mund und seine Klamotten, die aus uralten Strickpullis (manchmal auch mit Kapuze) und Jogginghosen bestehen.
Wichtig ist bei Jura, dass man nie und ich wiederhole „NIE!“ davon ausgehen sollte, dass er gerade ausgelassen sei. Egal wie schön der Tag ist oder wie lange man für sein Abendessen am Herd stand, wie lange man das Haus aufgeräumt hat, wie viel man irgendwo geschuftet hat oder was man sonst so verbracht haben mag, was einem Gutes oder überwundenes Schlechtes widerfahren ist: es ist ihm (im besten Falle) scheißegal. So hat Sascha heute ein neues Auto für sich gekauft: Seinen ersten Wagen. Wir (das sind Marco, Sascha und ich) haben das natürlich gleich mit einem Bierchen und Zigaretten in der Kurilka eingeweiht. Jura hat nur sein Bier genommen und dann nichts mehr gesagt, bis sich das Thema änderte. Als Marco und ich letztens Hühnchen in Pilzsoße zubereitet haben (und das hat lange gedauert im Vergleich zu einer Packung Pjelmini(russische Spezialität, sieht aus wie weiße Tortellini, der Teig ist aber ein anderer und die Füllung ist nur auf Fleisch beschränkt. Was der Unterschied zwischen russischen und sibirischen Pjelmini sein soll habe ich noch nicht begriffen)), kam Jura zum Tisch, aß die Hälfte, nahm sich dann eine Schnitte Brot, sagte, es würde ihm nicht sonderlich schmecken und ging wieder. Als es im Sommer herrlich warm war (nachdem für ein paar Tage schon ein bisschen Kälte eingekehrt war, also quasi Altweibersommer) bemerkte ich einmal, nur um ein Gespräch zu führen, was für ein schönes Wetter wir doch hätten (ich bin selbst kein Freund von Wettergesprächen, wenn man aber nicht viel anderes sagen kann, muss einem das, der Kommunikation zur Liebe, verziehen werden). Was für ein Unwetter da aufzog! Sofort wurden die Schießscharten bereitgemacht, ein Aufklärungsblick wurde in meine Richtung gesandt. Dann: Feuer frei! „Ein Scheißwetter haben wir! Bei der blöden Sonne gehen uns doch alle Blumen ein! Und wir schwitzen uns hier sonst was zusammen...“
Und das sind noch die besseren Zusammentreffen mit Jura. Die meiste Zeit über verstehe ich nämlich überhaupt gar nichts von dem was er mir so erzählt. „Erzählt“ ist auch wieder nicht das richtige Wort. Eigentlich brüllt er mich fast an, da er wohl meint, dass ich dann besser verstünde was er will. Nur greift in dem Moment für mich das eher nicht-sprachliche Element eines lauten Schalls, was mich in eine eher Abwehrposition drängt, als dass ich genauer zuhören würde und könnte was der nette Alte denn von mir will. Der Probleme sind nämlich gleich zwei. Zum einen lispelt Jura durch sein „modifiziertes“ Mundwerk ungemein und spricht meist sowieso schon unverständlich. Dazu – und das ist gravierender – kommt dann meist noch der Slang. Und was für einer! Ich hatte schon fast vergessen, dass man sich komplett außerhalb jeglicher Wörterbuchvokabeln unterhalten kann. Und das tut er gern.
So kann man sagen, dass es meist nicht einfach ist mir Jura zusammen zu leben. Warum mache ich das aber trotzdem gern? Zum einen, weil ich weiß, dass er eigentlich ein netter Kerl ist, aber das ist Weltanschauung, meine religiöse Überzeugung und für viele eine so hohle Floskel, dass man mich allein dafür in die Tonne kloppen dürfte. Aber es gibt ja noch einen anderen Grund. Wenn dir so ein Stinkstiefel nämlich erlaubt mit ihm zusammen zu kochen (und sei es auch nur neben ihm zu stehen und zuzuhören und zuzusehen) oder dich eine einzige Schraube bei der Reparatur eines Stuhles andrehen lässt (nachdem du ihm zehnmal damit auf den Sack gegangen bist, dass du deine Hilfe anbietest) oder (und ich gebe zu, dass dieses Beispiel schon paradox scheint) dir mal mit voller Wucht (aber auch in voller Freundschaft) gegen den Oberschenkel boxt, verstehst du, dass er dich doch auch gern hat. Das zeigt er nur selten, aber er tut es. Mittlerweile zu einem Running-Gag für mich (wie er das genau sieht weiß ich nicht) haben sich gewisse Situationen in der Kurilka entwickelt. Ich sitze drinnen und rauche vielleicht gerade meine vierte Zigarette am Tag, während von seinen schon etwa zehn im Aschenbecher liegen (und vielleicht noch genau so viele draußen im Garten). Und dann kommt der Auftritt: „Ты куришь и куришь...“ („Du rauchst und rauchst…“), was von einem vehementen Schütteln der großen Bowlingkugel begleitet wird. Darauf grinse ich und zwinkere ihm zu. „Иди на хуй, блядь!“ (Ist sicherlich auch nicht ganz richtig geschrieben, vielleicht gibt es auch genau so wenig eine Schreib- wie eine adäquate Übersetzungsweise, ich übersetze mal am wenigsten krass mit: „Ach, bleib mir doch gestohlen, Alter!“ (eig: „Geh zum Schwanz (oder ein anderes obszönes Wort für Penis)“ – das letzte Wort lässt sich einfach gar nicht übersetzen) murmelt er dann vor sich hin und geht wieder raus, um draußen entweder die Tauben zu füttern oder irgendetwas zu bauen.
Sein „ein und alles“ ist im Übrigen der Köter, Muktar. Er hat ihn sogar als Hintergrundbildchen auf seinem neuen Handy. Man stelle sich den alten Bären mit seiner umgedrehten Mütze, seinem Pulli mit Kapuze und einem modernen „Klapphandy“ vor – zu geil. Könnte direkt aus der Bronx kommen. Ein bisschen zerfurcht, sogar für einen „Gangsta“, aber sonst ganz cool.
Ich zieh mir noch einen Film rein und gehe dann schlafen.
Gute Nacht.
Kamyschyn – eine Reise in den Solipsismus
Da hatte ich es also doch nicht abwenden können. Morgens hallte es mir noch im Kopf wider: Du willst eigentlich gar nicht dahin. Mittags dann mit gepackten Sachen in die Maschrutka. Schneller Abschied von Sascha, Marco, Jura und Ruslan. Erstmal eine Betäubung: Led Zeppelin ins Ohr und nach dem Päckchen Camel in der Jackentasche fühlen – ich bin gerüstet. Was war eigentlich los?
Schon seit Wochen musste ich mich mit dem Gedanken herumschlagen an diesem Freitag nach Kamyschyn zu fahren. Ein Kaff mit einigen tausend Einwohnern irgendwo südlich in der Nähe der Wolga. Dort sollte ein katholischer Jugendtreff mit Studenten aus Wolgograd stattfinden. Gleich zu Anfang gingen bei mir schon die Alarmglocken. Singen, kreativ sein, seine Gefühle mitteilen, wenig schlafen, kein Alkohol. Eigentlich ist das alles kein Problem. Man muss das ganze nur ironisch mit der richtigen Clique aufnehmen können. Aber da formierte es sich ja schon, das Problem. Diese Gruppe war ja diesmal gar nicht mit von der Partie. Vielmehr reiste ich ja mit ca. 20 wenig bekannten Studenten und Jugendlichen aus der Gemeinde, die mir bisher nur dadurch aufgefallen waren, dass sie in der Kirche alle unglaublich motiviert zu Werke gingen und ständig die Miene des Unschuldslammes aufsetzten, die Schultern unter der Last der Welt gekrümmt – alles in allem auf den Hintergrund ihres außerkirchlichen Lebens projiziert nette Karikaturen unsympathischer Heuchler, die sich selbst aber auf gar keinen Fall als solche wahrnehmen. So hatte ich schon seitdem ich davon wusste, dass man mich unbedingt auch auf diesem Treffen dabei haben wollte, Bauchschmerzen, auf die ich Marco auch bereits häufig schon aufmerksam gemacht hatte. Der sollte zunächst auch nach Kamyschyn fahren, konnte aber letztlich aus guten Gründen, die unseren Hausfrieden hier bedrohten doch noch absagen. Schließlich kam dann noch der Tod seines Ordensgründers und Mentors dazu, der ihn dazu bewog nach Italien zu fliegen.
Dies eröffnete für mich natürlich eine neue Möglichkeit. Wenn ich es so hinstellen könnte, dass ich in seiner Abwesenheit der Verantwortliche im Haus wäre, hätte ich daraus eine nette Entschuldigung für mein Fernbleiben stricken können. Frohen Mutes bot ich mich also Marco an, zuhause zu bleiben. Der aber konnte oder wollte den Wink nicht verstehen und versicherte mir, ich könne ruhig fahren. So machte ich erstmal gute Mine zum bösen Spiel.
Es war ja auch nicht so, dass ich meine bösen Vermutungen nicht selber am liebsten widerlegt hätte und es schien wenige Minuten nach unserer Abreise auch der allergrößte Blödsinn gewesen zu sein – die Leute schienen nett, man konnte sich auf Englisch unterhalten, sie sahen im Fernsehen die gleichen Programme wie ich und unsere Wellen schienen einige Schnittpunkte zu haben. Dann aber kam nach etwa einer Stunde Busfahrt der Tiefpunkt der Tagesparabel: Das Gespräch wurde auf den Glauben gelenkt und ging mir prompt auf den Sack. Mir präsentierte sich ein egozentriertes Erkenntnisvermögen, dass ich direkt hätte kotzen können. „Gott als alter Mann mit einem kleinen Büchlein auf einem kleinen Tischchen im Himmel, in das er mit einem Kuli die guten und schlechten Taten einträgt, um dann am Ende eines jeden Lebens die große Aufwertung zu starten, simpel zu addieren und dann aus den drei Toren „Himmel“, „Fegefeuer“ und „Hölle“ auszuwählen. Der Mensch lebt also, um am Ende nicht den „Zonk“ ziehen zu müssen.“ – das wäre so ziemlich die im Raum abgestandene Quintessenz dessen, was mir so als zentraler Glaubensinhalt präsentiert wurde. Gut, dass mich ungern übergebe. Ich habe dann geschlafen, ohne zu antworten. Ich will gar nicht sagen, dass alle so dachten und dass es dort in dem großen Hinterweltlerkaff gar keine normalen Menschen gab, sodass ich tags in Versuchung gekommen wäre mit einer Laterne durch die Gegend zu laufen, aber drei oder vier von zwanzig sind für mich einfach nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Vielleicht bin ich – um nun auch mal ein Kompliment loszuwerden – einfach durch euch daran gewöhnt nette, intelligente und offene Menschen um mich zu haben. Nun ja, die Tage habe ich dann also primär mit beten verbracht. Ich sage „verbracht“ und nicht „vertan“! Nur die Zeit, die sich in Gruppenarbeit ergoss habe ich wirklich vertan, da dort wieder versteckt dieser Glaube der „Hinterweltler“ auftauchte, den ich dann schnell wieder versucht habe zu verdrängen. Am Ende dieser drei Tage war ich dann so angefüllt vom ewigen Transzendieren, dass mir beinahe schon die Kippen ausgegangen wären. Ich gehe nun weiter nicht auf die Inhalte des Treffens ein – es ging im Weitesten darum Ruhe für sich selbst zu finden, was ich durchaus ganz gut fand, aber was ich sonst so getan und gedacht habe ist dann doch entweder zu persönlich oder zu langweilig, um es hier niederzuschreiben. Meist letzteres. Ein wahres Highlight der Fahrt war dann noch der Weg zurück: Wir saßen in einer etwas größeren Maschrutka, ein geräumiger Autobus, der von uns schon fast komplett ausgefüllt wurde. Jörg hatte zu diesem Zeitpunkt natürlich schon beschlossen sich nun, da die Konsequenzen nicht mehr furchtbar werden konnten, abzukapseln und steckte sich seine Ohrhörer rein. Herrlich: „Slayer“ – „South of Heaven“. Lyrics, die vor allem nicht vortäuschen intelligent zu sein und echte Gitarren und echte Doublebase. Aber ihr kennt den Sound ja. Nun stellt euch vor, dass gerade an der Stelle, in der mit aller männlicher Brutalität „Before you see the light / you must die!“ herausgeblökt wird, eine Akustikklampfe einsteigt und ein glockenheller Frauensopran „Preiset den Herrn“ anstimmt. Wer sollte da nicht den Glauben an die Menschheit verlieren? Überhaupt: Ich konnte – das hat mich natürlich am meisten geärgert – noch nicht einmal irgendetwas dagegen unternehmen. Hat schon einmal jemand versucht einen neokatholischen Haufen Jugendlicher zu stoppen? Nein und ich auch nicht. Die waren schließlich gerade voll gepumpt mit jeder Menge „positiver Energie“ und die mussten sie erstmal zu Dreiakkordmusik langsam abbauen. Meine Antwort: „Tool“. Nützt aber auch nichts. Wenn mir die Ohren nicht hätten abfallen sollen, konnte ich die Musik einfach nicht noch lauter drehen. So fügte ich mich also in mein Schicksal zwischen ach-so-lieben Menschen und resignierte geistig völlig. Ich frage mich welcher Gattung Freak wohl der Fahrer angehörte, der den „Gesang“ auch noch die ganze Zeit billigte. Geschenkt. Wahrscheinlich sind Russen da immun.
Irgendwann, gegen 18:00 Uhr sind wir dann ja auch in Wolgograd angekommen und ich konnte mich allein auf den Nachhauseweg machen. Das war echt super.
Von der Überdosis, die ich damals bekommen habe, konnte ich bisher aber immer noch nicht erholen. Ich war erst einmal wieder zur Kirche danach. Da blüht mir noch ein Kreuzverhör bei der nächsten Beichte.
Ich denke, ich muss lernen „nein“ zu sagen.
Nächster Bericht.
Schon seit Wochen musste ich mich mit dem Gedanken herumschlagen an diesem Freitag nach Kamyschyn zu fahren. Ein Kaff mit einigen tausend Einwohnern irgendwo südlich in der Nähe der Wolga. Dort sollte ein katholischer Jugendtreff mit Studenten aus Wolgograd stattfinden. Gleich zu Anfang gingen bei mir schon die Alarmglocken. Singen, kreativ sein, seine Gefühle mitteilen, wenig schlafen, kein Alkohol. Eigentlich ist das alles kein Problem. Man muss das ganze nur ironisch mit der richtigen Clique aufnehmen können. Aber da formierte es sich ja schon, das Problem. Diese Gruppe war ja diesmal gar nicht mit von der Partie. Vielmehr reiste ich ja mit ca. 20 wenig bekannten Studenten und Jugendlichen aus der Gemeinde, die mir bisher nur dadurch aufgefallen waren, dass sie in der Kirche alle unglaublich motiviert zu Werke gingen und ständig die Miene des Unschuldslammes aufsetzten, die Schultern unter der Last der Welt gekrümmt – alles in allem auf den Hintergrund ihres außerkirchlichen Lebens projiziert nette Karikaturen unsympathischer Heuchler, die sich selbst aber auf gar keinen Fall als solche wahrnehmen. So hatte ich schon seitdem ich davon wusste, dass man mich unbedingt auch auf diesem Treffen dabei haben wollte, Bauchschmerzen, auf die ich Marco auch bereits häufig schon aufmerksam gemacht hatte. Der sollte zunächst auch nach Kamyschyn fahren, konnte aber letztlich aus guten Gründen, die unseren Hausfrieden hier bedrohten doch noch absagen. Schließlich kam dann noch der Tod seines Ordensgründers und Mentors dazu, der ihn dazu bewog nach Italien zu fliegen.
Dies eröffnete für mich natürlich eine neue Möglichkeit. Wenn ich es so hinstellen könnte, dass ich in seiner Abwesenheit der Verantwortliche im Haus wäre, hätte ich daraus eine nette Entschuldigung für mein Fernbleiben stricken können. Frohen Mutes bot ich mich also Marco an, zuhause zu bleiben. Der aber konnte oder wollte den Wink nicht verstehen und versicherte mir, ich könne ruhig fahren. So machte ich erstmal gute Mine zum bösen Spiel.
Es war ja auch nicht so, dass ich meine bösen Vermutungen nicht selber am liebsten widerlegt hätte und es schien wenige Minuten nach unserer Abreise auch der allergrößte Blödsinn gewesen zu sein – die Leute schienen nett, man konnte sich auf Englisch unterhalten, sie sahen im Fernsehen die gleichen Programme wie ich und unsere Wellen schienen einige Schnittpunkte zu haben. Dann aber kam nach etwa einer Stunde Busfahrt der Tiefpunkt der Tagesparabel: Das Gespräch wurde auf den Glauben gelenkt und ging mir prompt auf den Sack. Mir präsentierte sich ein egozentriertes Erkenntnisvermögen, dass ich direkt hätte kotzen können. „Gott als alter Mann mit einem kleinen Büchlein auf einem kleinen Tischchen im Himmel, in das er mit einem Kuli die guten und schlechten Taten einträgt, um dann am Ende eines jeden Lebens die große Aufwertung zu starten, simpel zu addieren und dann aus den drei Toren „Himmel“, „Fegefeuer“ und „Hölle“ auszuwählen. Der Mensch lebt also, um am Ende nicht den „Zonk“ ziehen zu müssen.“ – das wäre so ziemlich die im Raum abgestandene Quintessenz dessen, was mir so als zentraler Glaubensinhalt präsentiert wurde. Gut, dass mich ungern übergebe. Ich habe dann geschlafen, ohne zu antworten. Ich will gar nicht sagen, dass alle so dachten und dass es dort in dem großen Hinterweltlerkaff gar keine normalen Menschen gab, sodass ich tags in Versuchung gekommen wäre mit einer Laterne durch die Gegend zu laufen, aber drei oder vier von zwanzig sind für mich einfach nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Vielleicht bin ich – um nun auch mal ein Kompliment loszuwerden – einfach durch euch daran gewöhnt nette, intelligente und offene Menschen um mich zu haben. Nun ja, die Tage habe ich dann also primär mit beten verbracht. Ich sage „verbracht“ und nicht „vertan“! Nur die Zeit, die sich in Gruppenarbeit ergoss habe ich wirklich vertan, da dort wieder versteckt dieser Glaube der „Hinterweltler“ auftauchte, den ich dann schnell wieder versucht habe zu verdrängen. Am Ende dieser drei Tage war ich dann so angefüllt vom ewigen Transzendieren, dass mir beinahe schon die Kippen ausgegangen wären. Ich gehe nun weiter nicht auf die Inhalte des Treffens ein – es ging im Weitesten darum Ruhe für sich selbst zu finden, was ich durchaus ganz gut fand, aber was ich sonst so getan und gedacht habe ist dann doch entweder zu persönlich oder zu langweilig, um es hier niederzuschreiben. Meist letzteres. Ein wahres Highlight der Fahrt war dann noch der Weg zurück: Wir saßen in einer etwas größeren Maschrutka, ein geräumiger Autobus, der von uns schon fast komplett ausgefüllt wurde. Jörg hatte zu diesem Zeitpunkt natürlich schon beschlossen sich nun, da die Konsequenzen nicht mehr furchtbar werden konnten, abzukapseln und steckte sich seine Ohrhörer rein. Herrlich: „Slayer“ – „South of Heaven“. Lyrics, die vor allem nicht vortäuschen intelligent zu sein und echte Gitarren und echte Doublebase. Aber ihr kennt den Sound ja. Nun stellt euch vor, dass gerade an der Stelle, in der mit aller männlicher Brutalität „Before you see the light / you must die!“ herausgeblökt wird, eine Akustikklampfe einsteigt und ein glockenheller Frauensopran „Preiset den Herrn“ anstimmt. Wer sollte da nicht den Glauben an die Menschheit verlieren? Überhaupt: Ich konnte – das hat mich natürlich am meisten geärgert – noch nicht einmal irgendetwas dagegen unternehmen. Hat schon einmal jemand versucht einen neokatholischen Haufen Jugendlicher zu stoppen? Nein und ich auch nicht. Die waren schließlich gerade voll gepumpt mit jeder Menge „positiver Energie“ und die mussten sie erstmal zu Dreiakkordmusik langsam abbauen. Meine Antwort: „Tool“. Nützt aber auch nichts. Wenn mir die Ohren nicht hätten abfallen sollen, konnte ich die Musik einfach nicht noch lauter drehen. So fügte ich mich also in mein Schicksal zwischen ach-so-lieben Menschen und resignierte geistig völlig. Ich frage mich welcher Gattung Freak wohl der Fahrer angehörte, der den „Gesang“ auch noch die ganze Zeit billigte. Geschenkt. Wahrscheinlich sind Russen da immun.
Irgendwann, gegen 18:00 Uhr sind wir dann ja auch in Wolgograd angekommen und ich konnte mich allein auf den Nachhauseweg machen. Das war echt super.
Von der Überdosis, die ich damals bekommen habe, konnte ich bisher aber immer noch nicht erholen. Ich war erst einmal wieder zur Kirche danach. Da blüht mir noch ein Kreuzverhör bei der nächsten Beichte.
Ich denke, ich muss lernen „nein“ zu sagen.
Nächster Bericht.
Ich bin ja so intelligent
Nach 19 Jahren in Deutschland muss es erlaubt sein eine Frage zu stellen. Kann es denn illegale Deutsche geben? Ich meine, wir sind doch eigentlich immer die Guten – oder? Tja, eigentlich sind wir die Legalen. Uneigentlich war ICH letztens illegal unterwegs. Dazu muss man erstmal aber einen grundlegenden Unterschied zwischen Europa und Russland klarmachen. Bei uns sind die Grenzen offen und die Polizei schiebt nicht jede Sekunde Paranoia. Das ist in Russland anders. Hier gibt es immer und überall Polizeikontrollen. Meist genau dann, wenn die Jungs mal wieder ein bisschen Geld brauchen und irgendeine Kleinigkeit bemängeln, die eigentlich mehrere tausend Rubel Strafe kosten soll, aber zwei- oder dreihundert Rubel seien im Grunde genug – für jeden anwesenden Beamten. Nun ja, das ist ja eigentlich alles nichts Schlimmes. Wenn man nicht seinen Ausweis vergisst. Der ist nämlich in Russland wichtiger als Geld. Und als ich am letzten Wochenende nach Astrachan fuhr, hatte ich natürlich genau den vergessen. Ist mir natürlich auch gerade dann eingefallen als wir schon eine Stunde gefahren waren und mir den niemand mehr nachbringen konnte. Aber ich fange mal wieder mittendrin an. Früh morgens um sieben Uhr ging freitags der Autobus nach Astrachan. Und es war ein russischer Bus. „Gut“, sagte ich mir beim Anblick der eingeschlagenen Windschutzscheibe, der schmutzigen Sitze und der heraushängenden Leitungen für die Technik unseres außergewöhnlichen Straßenkreuzers, „wird schon alles laufen, schließlich fahren ja auch andere Leute mit diesem Karren.“ Irgendwie scheinen Russen aber härtere Hunde zu sein als ich, der ich nach einer Stunde Fahrt schon einen ersten Anflug extremen Pissdranges bekam und am liebsten schon da ausgestiegen wäre, als mir die Kiste mit meinem vergessenen Passport aufgefallen war. Da musste ich aber noch eineinhalb Stunden aushalten. Na ja, geklappt hat es dann ja. Wegen des Ausweises habe ich dann sofort Marco angerufen, der ihn mit dem nächsten Autobus nach Astrachan schicken wollte, damit ich ihn dann am nächsten Tag hätte. Das hat mich zunächst erstmal beruhigen können und so fuhren wir dann weiter. Mittags passierte mir dann gleich der nächste Fauxpas. Von Lea, die in Astrachan das Projekt der Assoziation „Papa Giovanni XXIII“ leitet und mit mir fuhr, wurde ich schnell in einen Tante-Emma-Laden geschickt, um etwas Essbares zu kaufen. Dummerweise fiel uns dass erst nach etwa 20 Minuten Pause ein und während ich im Laden darauf wartete, dass eine freundliche alte Dame aus dem Dorf endlich ihre Einkäufe beendete, wollte der Fahrer unseres Busses schon ohne mich losfahren. Dementsprechend aufgeregt kam mir dann, als ich endlich aus dem Laden rauseilte, Lea entgegen, die den guten Fahrer noch gerade aufhalten konnte. So verstrichen dann insgesamt ca. neun Stunden, die wir bis zur Grenze des Kreises Astrachan brauchten. Das Problem an dieser Grenze war, dass sie eine Grenze war. Das bedeutet: Dort kontrolliert die Polizei, ob nicht irgendwelche Idioten ohne Ausweispapiere illegal einwandern wollen. So ein Idiot saß ja nun bei mir im Bus. Und der schwitzte wie die letzte Sau. Zum Glück hielten mich die Milizionäre aber wohl für einen Russen, da sie meine Papiere nicht sehen wollten. Alles was irgendwie kleine Augen hatte oder sonst asiatisch aussah wurde sofort penetriert und komplett ausgecheckt. Ich dachte schon, dass alles überstanden sei, als an der Stadtgrenze noch mal kontrolliert wurde. Ich bekomme noch das Gespräch vorne zwischen Fahrer und Polizist mit: „Die Leute haben sich alle mit Passnummer bei ihnen eingetragen und sie haben das überprüft oder?“ „Nein, das machen die nur bei der Bahn, wir machen das ohne Passkontrolle“. Warum müssen denn immer alle Leute so gutherzig sein? Wieder ging also ein Polizist durch den Bus und sah jedem scharf ins Gesicht. Ich nahm im letzten Moment noch das Markenzeichen des Wohlstands aus den Ohren und versteckte den MP4-Player in der Jackentasche, bevor man noch vermuten konnte, dass ich Ausländer bin. Aber auch diese Hürde haben wir dann überwunden und – hey, was wäre das Leben ohne einen gewissen „Thrill“? Ich gebe aber zu, dass ich das in dem Moment erst nicht so gesehen habe. Schließlich kamen wir dann aber doch behütet im „Dom Lea“ („Haus Lea“) an, wo alsbald Abendessen aufgetischt wurde. Wunderbares Wiedersehen mit David. Nach dem Essen erstmal in die von ihm eingerichtete Rauchkammer und russische Lunten auf den Tisch. Austausch über die zuletzt gelesene Literatur, Arbeit vor Ort und Pläne wohin wir noch so fahren wollen. Abends haben wir uns dann einen Film zusammen mit „Deduschka“ angesehen. „Deduschka“ hat natürlich eigentlich einen anderen Namen (das Wort bedeutet soviel wie „Opa“ oder „Großväterchen“), aber den weiß noch nicht einmal David, also habe ich ihn auch so genannt. Der Film hieß „Shooter“ und war vor allem durch eine Menge Geballer gekennzeichnet, was sehr zur Freude „Deduschkas“ beitrug. Die groben Züge des Films haben David und ich ihm dann übersetzt, wobei er nur einmal den Kommentar abgab, dass es eigentlich am coolsten wäre, wenn nun endlich alle abgeballert würden. Damit habe ich den guten Alten natürlich direkt in mein Herz geschlossen und als er dann bei einer Zigarette noch den Ausdruck „Zigaretten essen“ im Sinne von „unglaublich schnell rauchen“ benutzte war der Tag bis auf den letzten Rest gerettet. Apropos Zigaretten: Wir haben mittlerweile mal Lunten, die man für umgerechnet 10 Cent bekommen kann, ausprobiert. Die sind echt nicht zu empfehlen. Drehtabak ist hier im Übrigen teurer als normale Filterlunten. Ein Päckchen Filterlunten kostet hier ca. 30 Rubel (dann hat man schon sehr gute) und ein Beutel Tabak etwa 100 Rubel (Samson). Aber das nur am Rande. Am nächsten Tag sind wir dann in die Innenstadt Astrachans gefahren, um dort die Obdachlosen zu versorgen. War ein ganz schön heikles Unterfangen, da ich immer noch keinen Ausweis hatte und die Polizisten dort scharf sind wie sonst nichts Gutes. Also habe ich die meiste Zeit über die Schnauze gehalten und nur leise mit David Deutsch gesprochen, sonst nur die Standardsachen mit den Obdachlosen auf Russisch. Abends gab es dann endlich meine Papiere und David und ich sind dann auf die Pirsch gegangen und haben ein wenig das russische Kneipenleben ausgekostet. Haben sonst noch den Kreml im Zentrum besichtigt, waren in einem Plattenladen (unverschämt – der war größer und günstiger als die hier in Wolgograd) und ich habe mir angeguckt wo David arbeitet. Sonntag ging es dann im Zug abends zurück. Leute, wenn ihr schlafen wollt fahrt nie in russischen Nachtzügen! Und wenn es sein muss, nehmt euch kein Zweite-Klasse-Ticket und pennt „oben“. Da bekommt man ein Holzbrett, was einen halben Meter breit ist und eine kleine Ablagefläche und das war es schon. Wer „Glück“ hat wie ich, kommt noch „nette“ chinesische Bettnachbarn, die einem wegen jedem Mist ankacken können, sodass ich am Ende so genervt war, dass ich mich einfach ohne Bettzeug zu nehmen hingelegt habe. Entsprechend habe ich nachts kein Auge zugetan und sah dann am nächsten Tag in Wolgograd richtig scheisse aus. Scheisse sehe ich zwar momentan sowieso aus, da ich mir die ganze Zeit hier über noch nicht einmal die Haare habe schneiden lassen, da immer wieder etwas dazwischen kam, aber das lassen wir mal außen vor.
Schließlich und endlich ist dann der Teilzeitillegale wieder zuhause angekommen und konnte dann den ganzen Tag entspannen, da der Zug nicht pünktlich angekommen war, sodass ich nicht zur Obdachlosenversorgung konnte.
Das war’s nun erstmal von mir. Werde demnächst wieder mehr schreiben. Wie schon so oft angekündigt.
Euer
Jörg
Schließlich und endlich ist dann der Teilzeitillegale wieder zuhause angekommen und konnte dann den ganzen Tag entspannen, da der Zug nicht pünktlich angekommen war, sodass ich nicht zur Obdachlosenversorgung konnte.
Das war’s nun erstmal von mir. Werde demnächst wieder mehr schreiben. Wie schon so oft angekündigt.
Euer
Jörg
Donnerstag, 15. November 2007
Kommt bald
Hi Kinder, ich schreib demnaechst sicher wieder einen ordentlichen Artikel hier hinein, aber im Moment geht das einfach ganz und gar nicht. Ich habe dafuer aber schon einen Plan, worueber ich schreiben kann und dann wird alles gut.
Ich lebe noch.
Joerg
Ich lebe noch.
Joerg
Freitag, 2. November 2007
Melde mich mal wieder
Ja, so regelmaessig schreibe ich nicht und dieser Eintrag wird auch wieder nur eher ein Lebenszeichen als ein Roman.
Am Wochenende fahre ich eventuell auf ein Jugendtreffen von der Kirche aus oder darf Hausherr spielen, da Marco wohl nach Italien auf die Beerdigung seines heute verstorbenen Mentors und Vorgesetzten gehen wird. Dann haette ich mal bis Mittwoch allein das Ruder in der Hand. Mal sehen, was so kommen wird. Habe mittlerweile an der Uni schon meinen zweiten Test absolviert und gehe dem Ende meiner ersten Lerneinheit dort entgegen.
Im Haus ist alles in Ordnung und ich gehe noch immer gern zur Arbeit.
Das war es erstmal.
Joerg
Am Wochenende fahre ich eventuell auf ein Jugendtreffen von der Kirche aus oder darf Hausherr spielen, da Marco wohl nach Italien auf die Beerdigung seines heute verstorbenen Mentors und Vorgesetzten gehen wird. Dann haette ich mal bis Mittwoch allein das Ruder in der Hand. Mal sehen, was so kommen wird. Habe mittlerweile an der Uni schon meinen zweiten Test absolviert und gehe dem Ende meiner ersten Lerneinheit dort entgegen.
Im Haus ist alles in Ordnung und ich gehe noch immer gern zur Arbeit.
Das war es erstmal.
Joerg
Mittwoch, 17. Oktober 2007
Zwei Deutsche und zwei Tage – zwei große Frauen und zwei Erlebnisse
Am Wochenende war es endlich soweit: David ist aus Astrachan zu Besuch gekommen. Früh morgens um acht Uhr ging es mit dem Auto zum Bahnhof, wo ich einen ziemlich übermüdeten (nach zehn Stunden Bahnfahrt) und recht hilflos dreinblickenden Freiwilligen aus der Eingangshalle abholte. Danach ging es erstmal auf den Fischmarkt, um neue Angelsachen für Jura zu kaufen und nach Hause, wo David sein Zimmer beziehen konnte. Ohne weitere Umschweife nahmen wir dann die nächste „Maschrutka“ ins Zentrum. Dort konnte ich dann erstmal meine Fähigkeiten als Touristguide unter Beweis stellen. Leninstatuen, das große Theater, das Rathaus und meine Uni, das Panorama-Museum und die Hauptstraße wollten besichtigt werden. Als wir uns schließlich niederließen, um uns ein paar fettige „Kottleti“ reinzuschieben (Hühnchenfleisch mit Pilzen und Käse in einem Panademantel) und schließlich eine Zigarette rauchten, um dem Tag das richtige Doping zu geben, wurden wir pronto von einer äußerst voluminösen Dame angesprochen, die wohl auch nach einem Glimmstängel trachtete. Bereitwillig kramte ich eine Marlboro hervor und übergab sie in die speckigen Pfoten der Passantin. Als ich nun die darauf folgende Frage nicht verstand, sah ich mich prompt wieder in der Not erklären zu müssen, dass ich Ausländer sei und fragte höflich, ob sie denn Englisch spräche. Und wie es der Zufall, „der alte Satansbraten“, so will, konnte sie recht gut und fast akzentfrei Englisch sprechen. Und wie. Sie hörte gar nicht mehr auf zu quasseln und wollte alles über David und mich, unsere Tätigkeit hier, unsere Familien und so weiter wissen. Das ist an sich nicht verwunderlich, sicher, die meisten Russen sprechen nicht mehr als „yes“, „no“ und „I don`t understand“, aber interessiert ist eigentlich jeder an dem, was man so macht. Von daher kamen uns erst dann erste Zweifel an dieser Person, als sie fragte, ob wir nicht etwas über sie erfahren wollten, ich dies bejahte und sie dann fragte warum wir nichts wissen wollten. Schließlich konnten wir sie aber wieder aus ihrer „Beleidigte-Leberwurst-Stimmung“ befreien und sie erzählte über ihr Leben. So gingen dann eigentlich ganz nette zehn Minuten ins Land und ich wollte dann ganz standardmäßig entschuldigen, dass wir nun aber unbedingt noch zur „Mamaef Kurgan“ müssten, da David die Stadt ja noch nicht kennen würde. Mit folgendem hatten wir aber nicht gerechnet: Die sprechende Qualle wollte nun mit uns zusammen die Stadt erkunden. Leicht genervt willigten wir aber dann ein sie mitzunehmen. Kurz vor der Metro dann die nächste Unverschämtheit. Sie hatte gar kein Geld und wollte, dass wir ihr das Ticket bezahlen. Die sechs Rubel teilten David und ich uns dann (sind dann schließlich nur noch circa sieben Cent). Angekommen am Mahnmal ging die Quasselei wieder weiter. Sie sei so stolz auf ihren 14jährigen Sohn, der ja so intelligent sei und sei so glücklich mit ihrem Freund, einem Tauchlehrer für Wolgatouristen und so weiter und so fort. Als wir schließlich an einigen Rekrutinnen der russischen Armee vorbeigingen (davon gibt es fast so viele wie von den männlichen Pendants), fragte uns der Hefefladen doch tatsächlich, ob wir auf Frauen in Uniform stünden, ob wir Sex mit Männern gehabt hätten und erschlug uns fast mit ihrer unglaublich liberalen Einstellung, dass Menschen immer und mit jedem darüber reden sollten. Als ich dann trocken bemerkte, dass es wohl bei jedem selbst läge wann und mit wem er darüber reden wolle kam bewundernd zurück, dass das eine „sehr interessante Ansicht“ sei. Als wir dann an die in Fels gehaunen Rotgardisten passierten bemerkte sie fast beiläufig, dass sie der Meinung sei, der Krieg habe nie stattgefunden und sei eine Erfindung der Politik. Synchrones Wegdrehen seitens Davids und meiner, da uns simultan die Erinnerung an vor Intellekt strotzende Aussagen wie „Hitler hat nicht nur Schlechtes getan“ von Neofaschisten ins Gedächtnis schoss und wir uns an Ufosektenansichten erinnert fühlten. Als ich ihr dann behutsam beibrachte, dass der Krieg bewiesenermaßen stattgefunden hatte und sie doch bitte darüber nun die Klappe halten sollte (manchmal hat Wittgenstein doch recht: „Worüber man nichts weiß, darüber muss man schweigen!“), war das auch kurz für sie in Ordnung. Als wir aber schließlich oben bei der Statue angelangt waren bewegte sich das massige Gesicht wieder, um uns die Freundschaft und zukünftige Treffen anzubieten. Und da schlug wieder der gemeine „Bono“-Gutmensch in mir zu. Ich konnte diesem scheinbar hilflosen Wesen natürlich diese simple Bitte nicht abschlagen und sofort wurden Handynummern getauscht und sie hatte noch die traurige Geschichte von ihrer gescheiterten Ehe zur Belohnung auf Lager. Als sie uns danach wieder mit anderen Dingen auf den Wecker gehen wollte und sich anschickte uns auch den Nachmittag zu stehlen sagte ich dann entschieden, dass wir uns lange nicht gesehen hätten (David und ich) und deswegen nachmittags etwas zu zweit unternehmen wollten. Das schien dann erst in Ordnung für unser Pummelchen mit den verworrenen Ansichten. Eine halbe Stunde später aber ging schon das Handy. Wann ich Zeit hätte um sich zu treffen etc, etc. Einmal mehr danach musste ich sie danach noch abwürgen und hoffe ihr nun klargemacht zu haben, dass ich sehr, sehr wenig Zeit habe, woraus ein normaler Mensch auch entnimmt, dass ich keinen Bock auf ein Wiedersehen habe. Den Rest des Tages zog mich dann ein sehr amüsierter David, der ja aus dem Schneider war, da er von Astrachan aus sich wohl nicht mit ihr treffen konnte, die ganze Zeit mit meiner neuen bärtigen (ja, Unterlippenbart hat sie auch), kugeligen Freundin aus der „Sumo-Ringer-Branche“ auf. Am Abend konnten wir dann aber glücklicherweise nur noch über die eine der beiden großen Damen reden (nämlich die Mutter Heimat) und die andere Bekanntschaft ruhen lassen. Ganz deutscher Standard ließen wir uns dann auf der Terrasse mit Bier und Kippen nieder und haben uns echt mal angenehm über unsere Projekte ausgetauscht. Am Sonntag sind wir dann mal zur Wolga runter und sind auf eine (wenig erfolgreiche) Shoppingtour durchs Zentrum gegangen, da ich unbedingt so langsam mal Wintersachen brauche. Die Winterjacken sind hier allerdings entweder Mäntel, in denen ich ziemlich alt aussehe, Daunenjacken, die mir noch nie wirklich gefallen haben oder noch Herbstware, also für den Winter nicht zu gebrauchen. Abends waren wir dann zu spät am Bahnhof, um David eine pünktliche Heimreise zu kaufen, da alle Tickets schon vergriffen waren. Also musste er wohl oder übel noch einen Abend mit Marco und mir, Chips und Bier (sollte ich Dichter werden?) verbringen. Montagmorgen waren dann der nette Besuch und die angenehme Zeit des Deutschredens vorbei und der Alltag hat wieder begonnen. Wie der aussieht wisst ihr ja mittlerweile auch schon halbwegs aus den anderen Berichten. Ich versuche auch noch mal gern Fotos ins Internet zu stellen, aber werde meist durch Unlust ob des langsamen Internets davon abgehalten und verschiebe das auf den wunderbaren, unbekannten Tag X, an dem ich hier endlich eines „der vielen“ Internetcafés finde. Ich verbleibe in der Hoffnung auf Antworten, darauf, dass ich den „Delete-Knopf“ für die Qualle Anna finde. Bis nächste Woche euer
Jörg
Jörg
Versorgung für die Ärmsten der Armen
Es ist sieben Uhr morgens. Nach einer schrecklichen Nacht, in der mein Schlaf ständig von Killer-Köter Muktar unterbrochen wurde, geht es mit ziemlich dicken Augen erstmal nach unten, wo ich jedem den ich treffe ein „dobrej utra“ entgegenmurmele. Dann wird erstmal so heiß wie möglich geduscht. Nach circa 20 Minuten fühle ich mich dann menschlich genug um das Bad wieder zu verlassen und fange an (entweder allein oder mit jemand zusammen) das Haus durchzufegen und durchzuwischen. Während dessen bereitet jemand anders schon mal die Suppe in einem wirklich monströsen Bottich vor. Einmal hat mich Irmhild Ehrlich (deutsche Missionarin, die anfangs zwei Wochen hier war, nun wieder zurück in Deutschland ist) gefragt, ob wir die Suppe auch essen würden. Sie hatte die natürlich noch nicht gesehen. Ruslan knallt da einfach alles rein was irgendwie essbar ist und macht es dann warm. Hat mich persönlich immer ein wenig an Eintopf erinnert: Der Vorratsraum wird ausgeräumt und in einen Topf gepfercht, dann zermatscht und gut umgerührt, erhitzt und dann serviert.
Trotz alledem ist allerdings zu erwähnen, dass die Suppe genau wie der Eintopf sicher gesund ist, nur eben nichts für meinen verwöhnten Magen. Der bekommt dann morgens erstmal einen oder zwei Äpfel, damit der Vitaminspiegel auf Hochtouren gebracht wird. Dazu dann irgendeine Wurst auf Weißbrotscheiben und eine Tasse Tee. Der Nachtisch wird dann natürlich wieder etwas nikotinhaltiger, aber ich achte dann darauf nur „Lights“ zu rauchen. Nachdem dann auch der Tee fertig abgefüllt und gezuckert ist, kommt die ganze Bagage in den Wagen und Marco, Ruslan und ich machen uns auf den Weg zum Caritas-Wagon. Auf dem Weg dorthin müssen wir meist noch einige Läden abklappern, da die Plastikteller, -löffel und -becher hier scheinbar Mangelware sind. Schließlich schaffen wir es dann aber an eine andere Stelle des Stadtrandes, wo wir von einem netten Pförtner auf einen alten Krankenhausparkplatz gelassen werden. Dann wird es ein wenig urig: Auch wenn die Straßen in Russland eines der beiden größten Probleme darstellen (vgl. dazu Bahira, eine Dermatologin aus Moskau, die bei uns zu Gast war: „Russland hat zwei Probleme – Infrastruktur und Idioten“), so ist dieses stark „verwaldete“/verwilderte Gelände hinter dem Krankenhaus mit seinen Trampelpfaden schon ein richtiges Erlebnis, da wir erstmal noch ein ganzes Stück mit der Karre hineinfahren.
Dann geht es aber an die Arbeit. Wir steigen aus dem Wagen aus und Teller, Becher und Löffel, Teekannen und die Suppe, sowie ebenfalls unterwegs gekauftes Brot werden schleunigst Richtung Wagon gebracht. Aus diesem holen Ruslan und ich dann Bänke und einen Tisch. Auf letzterem werden dann die Suppe und die vollen Teebecher abgestellt. Daneben steht Ruslan und gibt das Brot aus. Mittlerweile habe ich natürlich schon diverse Techniken entwickelt, um meinen Teil des Jobs (den Tee) möglichst effizient zu erledigen. Die ersten paar Becher schöpfe ich aus dem Bottich, dann erst wird eingegossen. Die Obdachlosen sind unglaublich dankbar für das was sie von uns bekommen. Sie bedanken sich immer gleich mehrere Male für Suppe, Brot und Tee. Es kommen ihnen auch Komplimente über die Lippen die einen gerade dann, wenn man morgens noch in einer eher egozentrischen Gedankenwelt, geprägt von dem Wunsch nach zehn vollen Stunden Schlaf, gelebt hat, richtig beschämen können. Nach meinen nunmehr anderthalb Monaten hier kann ich schon sagen einiges besser verstehen zu können und wenn die Leute nicht alkoholisiert sind kann ich mich schon ein wenig mit ihnen unterhalten, Fragen stellen und Antworten aufnehmen oder selbst über mein Leben in Deutschland erzählen, was die meisten auch brennend interessiert. Wenn man ehrlich ist, sind die Nahrungsmittel nur die nötige Fassade für unsere eigentliche Arbeit. So wie ein Haus nicht ohne die Mauern steht, so könnten wir auch nicht ohne Viktualien zu den Obdachlosen gehen, aber genau so wenig wäre das „Haus“ Haus, wenn es nicht eingerichtet wäre, wenn kein Leben drin wäre. Dieses „Leben“ aber schaffen wir nicht durch die Versorgung, die ist nur Basis. Es sind dann vielmehr die Gespräche hinterher. Die Möglichkeit für den Mann, dessen Hände blutverkrustet über seinen wilden Bart streichen, um die gröbsten Essensreste und den Schmutz, der sich angesammelt hat, zu vertreiben, oder für die Frau, deren Augen aufgedunsen sind von schlaflosen Nächten unter Mengen von Alkohol mit nichts um sich herum als den Klamotten, die sie anhat, die dann noch mit Schlappen barfuss läuft, wenn ich schon in Winterschuhen mit Socken friere, die einen sechzig Jahre alten Hut trägt und deren Gesicht nicht braun vom allwöchentlichen ALDI-Toaster, sondern von kalter, harter Erde ist, mit jemandem zu reden. Für einen Moment, in dem jemand zuhört, der nicht weiß wie das ist, der interessiert ist, hört dann das stete Zittern der Lippen auf und es füllt sich manchmal das ein oder andere Auge mit Wasser – immer zu kurz, als dass es ein Weinen gewesen wäre, aber lang genug, um es zu bemerken.
Mit einigen der Obdachlosen bin ich nun auch bekannt. Sie grüßen immer sehr nett schon von weitem und wir kennen uns beim Namen. Zwei der etwa 50 Obdachlosen gingen auch jeden Sonntag zur Kirche. Einen der beiden, Andrej, haben wir allerdings nun schon länger nicht mehr gesehen und sein Freund Jura weiß auch wohl nie genau wo er steckt, weswegen ich ein wenig besorgt bin, da hier auch wirklich heftige Dinge passieren. Zum Glück musste ich es nicht mit ansehen, aber einem Obdachlosen ist wohl in der Stadt nachts mit einer Axt der Schädel gespalten worden und die anderen wurden tags darauf von der Polizei zur Identifizierung des Leichnams angekarrt. Aus Astrachan erzählte David, dass dort einer Obdachlosen der Rollstuhl gestohlen wurde – einer Frau ohne Beine. Was man also sicher sagen kann ist, dass es auf der Straße keine Gesetze gibt. Genau genommen sind also die Obdachlosen gleichzeitig beinahe Gesetzlose. Das meine ich nun nicht im rein negativen Sinne, sondern eher in einem Konstatierenden. Denn auf der einen Seite werden sie vom Gesetz nicht geschützt – sie brauchen von der Polizei keine Hilfe erwarten, sie können keine Vereinigung anrufen oder sich sonst auf ihr Recht berufen. Auf der anderen Seite hätte aber auch ein durchgesetztes Gesetz auf der Straße, wo es um das nackte Überleben geht, wohl kaum Relevanz. Immer wieder sieht man einige der Leute, die am Vortag noch recht ordentliche Hosen und Pullover hatten, am nächsten Tag mit dicken violetten Flecken am ganzen Körper, die Kleidung zerschlissen und schmutzig. Das Schlimmste was ich bisher miterleben musste war der Besuch einer „Behausung“, die sich die „ribiati“ wohl berauscht irgendwann einmal zusammengebaut hatten. Unter einigen mit Brandlöchern versehenen Decken, zugepissten Klamotten, einem uralten verdreckten Schlafsack schlief, völlig alkoholisiert eine Obdachlose. Als wir uns ihr näherten wurde der Gestank immer schlimmer und ließ schon auf einiges schließen, was noch unter den Decken sein musste. Als wir sie wecken wollten machte sich schließlich ein neben ihr unter alledem pennender Straßenköter bemerkbar, der aggressiv kläffend sein Revier zu verteidigen suchte. Als der vertrieben war konnten wir endlich die stark fiebrige Frau mit Medikamenten versorgen.
Wie dicht Feindseligkeit und Freundschaft bei den Obdachlosen hier zusammenhängen habe ich auch schon erlebt. Zwei von ihnen umarmten sich erst wie alte Buddys, als der eine zur Essensausgabe angeschlurft kam. Dann wurden vielleicht vier oder fünf Worte gewechselt und es entwickelte sich eine kurze Schlägerei zwischen den beiden, dass niemand dazwischen gehen wollte und schließlich nahm der eine dann den anderen mit zur Seite und dort umarmten sie sich wieder herzlich und drückten sich dann fest, um sich gegenseitig in die Luft zu heben.
Bisher bin auch schon zweimal extrem Alkoholisierten begegnet. Das eine Mal war das eigentlich gar nicht wild – der alte hatte gut getankt und wir ihn ausnahmsweise dann trotzdem mit Essen versorgt. Weil er das selbst nicht mehr tragen konnten, hatten wir es ihm dann zum Essensplatz seiner Wahl gebracht. Dort fanden wir ihn kurz darauf auch rücklings schlafend, die Suppe über seine Kleidung verteilt, wieder. Ein herrliches Bild, aber ich hatte den Fotoapparat vergessen, den Marco da am liebsten mal ausgeliehen hätte. Das andere Mal war erst gestern, als ein bestimmt zwei Meter großer und kräftig gebauter, relativ junger Obdachloser, der sich noch nicht einmal mehr artikulieren und nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte, in den Wagon torkele und ich just im Eingang stand und erstmal einen Meter zurück gegangen bin. Zum Glück hörte er schließlich auf unser Einreden, dass er warten müsse, bis er versorgt würde oder nie wieder etwas bekommen würde.
Im Großen und Ganzen aber ist die Arbeit beim Wagon immer ein kleines Abenteuer, bereichert und macht Spaß. Es ist sicherlich anderer Spaß als wenn im Kinderzentrum die kleinen einem zeigen wie sie am liebsten tanzen oder was sie so malen und was sie alles auf Englisch sagen können. Aber wenn ich von den Obdachlosen weggehe habe ich immer das angenehme Gefühl sicher nichts falsch gemacht zu haben.
Trotz alledem ist allerdings zu erwähnen, dass die Suppe genau wie der Eintopf sicher gesund ist, nur eben nichts für meinen verwöhnten Magen. Der bekommt dann morgens erstmal einen oder zwei Äpfel, damit der Vitaminspiegel auf Hochtouren gebracht wird. Dazu dann irgendeine Wurst auf Weißbrotscheiben und eine Tasse Tee. Der Nachtisch wird dann natürlich wieder etwas nikotinhaltiger, aber ich achte dann darauf nur „Lights“ zu rauchen. Nachdem dann auch der Tee fertig abgefüllt und gezuckert ist, kommt die ganze Bagage in den Wagen und Marco, Ruslan und ich machen uns auf den Weg zum Caritas-Wagon. Auf dem Weg dorthin müssen wir meist noch einige Läden abklappern, da die Plastikteller, -löffel und -becher hier scheinbar Mangelware sind. Schließlich schaffen wir es dann aber an eine andere Stelle des Stadtrandes, wo wir von einem netten Pförtner auf einen alten Krankenhausparkplatz gelassen werden. Dann wird es ein wenig urig: Auch wenn die Straßen in Russland eines der beiden größten Probleme darstellen (vgl. dazu Bahira, eine Dermatologin aus Moskau, die bei uns zu Gast war: „Russland hat zwei Probleme – Infrastruktur und Idioten“), so ist dieses stark „verwaldete“/verwilderte Gelände hinter dem Krankenhaus mit seinen Trampelpfaden schon ein richtiges Erlebnis, da wir erstmal noch ein ganzes Stück mit der Karre hineinfahren.
Dann geht es aber an die Arbeit. Wir steigen aus dem Wagen aus und Teller, Becher und Löffel, Teekannen und die Suppe, sowie ebenfalls unterwegs gekauftes Brot werden schleunigst Richtung Wagon gebracht. Aus diesem holen Ruslan und ich dann Bänke und einen Tisch. Auf letzterem werden dann die Suppe und die vollen Teebecher abgestellt. Daneben steht Ruslan und gibt das Brot aus. Mittlerweile habe ich natürlich schon diverse Techniken entwickelt, um meinen Teil des Jobs (den Tee) möglichst effizient zu erledigen. Die ersten paar Becher schöpfe ich aus dem Bottich, dann erst wird eingegossen. Die Obdachlosen sind unglaublich dankbar für das was sie von uns bekommen. Sie bedanken sich immer gleich mehrere Male für Suppe, Brot und Tee. Es kommen ihnen auch Komplimente über die Lippen die einen gerade dann, wenn man morgens noch in einer eher egozentrischen Gedankenwelt, geprägt von dem Wunsch nach zehn vollen Stunden Schlaf, gelebt hat, richtig beschämen können. Nach meinen nunmehr anderthalb Monaten hier kann ich schon sagen einiges besser verstehen zu können und wenn die Leute nicht alkoholisiert sind kann ich mich schon ein wenig mit ihnen unterhalten, Fragen stellen und Antworten aufnehmen oder selbst über mein Leben in Deutschland erzählen, was die meisten auch brennend interessiert. Wenn man ehrlich ist, sind die Nahrungsmittel nur die nötige Fassade für unsere eigentliche Arbeit. So wie ein Haus nicht ohne die Mauern steht, so könnten wir auch nicht ohne Viktualien zu den Obdachlosen gehen, aber genau so wenig wäre das „Haus“ Haus, wenn es nicht eingerichtet wäre, wenn kein Leben drin wäre. Dieses „Leben“ aber schaffen wir nicht durch die Versorgung, die ist nur Basis. Es sind dann vielmehr die Gespräche hinterher. Die Möglichkeit für den Mann, dessen Hände blutverkrustet über seinen wilden Bart streichen, um die gröbsten Essensreste und den Schmutz, der sich angesammelt hat, zu vertreiben, oder für die Frau, deren Augen aufgedunsen sind von schlaflosen Nächten unter Mengen von Alkohol mit nichts um sich herum als den Klamotten, die sie anhat, die dann noch mit Schlappen barfuss läuft, wenn ich schon in Winterschuhen mit Socken friere, die einen sechzig Jahre alten Hut trägt und deren Gesicht nicht braun vom allwöchentlichen ALDI-Toaster, sondern von kalter, harter Erde ist, mit jemandem zu reden. Für einen Moment, in dem jemand zuhört, der nicht weiß wie das ist, der interessiert ist, hört dann das stete Zittern der Lippen auf und es füllt sich manchmal das ein oder andere Auge mit Wasser – immer zu kurz, als dass es ein Weinen gewesen wäre, aber lang genug, um es zu bemerken.
Mit einigen der Obdachlosen bin ich nun auch bekannt. Sie grüßen immer sehr nett schon von weitem und wir kennen uns beim Namen. Zwei der etwa 50 Obdachlosen gingen auch jeden Sonntag zur Kirche. Einen der beiden, Andrej, haben wir allerdings nun schon länger nicht mehr gesehen und sein Freund Jura weiß auch wohl nie genau wo er steckt, weswegen ich ein wenig besorgt bin, da hier auch wirklich heftige Dinge passieren. Zum Glück musste ich es nicht mit ansehen, aber einem Obdachlosen ist wohl in der Stadt nachts mit einer Axt der Schädel gespalten worden und die anderen wurden tags darauf von der Polizei zur Identifizierung des Leichnams angekarrt. Aus Astrachan erzählte David, dass dort einer Obdachlosen der Rollstuhl gestohlen wurde – einer Frau ohne Beine. Was man also sicher sagen kann ist, dass es auf der Straße keine Gesetze gibt. Genau genommen sind also die Obdachlosen gleichzeitig beinahe Gesetzlose. Das meine ich nun nicht im rein negativen Sinne, sondern eher in einem Konstatierenden. Denn auf der einen Seite werden sie vom Gesetz nicht geschützt – sie brauchen von der Polizei keine Hilfe erwarten, sie können keine Vereinigung anrufen oder sich sonst auf ihr Recht berufen. Auf der anderen Seite hätte aber auch ein durchgesetztes Gesetz auf der Straße, wo es um das nackte Überleben geht, wohl kaum Relevanz. Immer wieder sieht man einige der Leute, die am Vortag noch recht ordentliche Hosen und Pullover hatten, am nächsten Tag mit dicken violetten Flecken am ganzen Körper, die Kleidung zerschlissen und schmutzig. Das Schlimmste was ich bisher miterleben musste war der Besuch einer „Behausung“, die sich die „ribiati“ wohl berauscht irgendwann einmal zusammengebaut hatten. Unter einigen mit Brandlöchern versehenen Decken, zugepissten Klamotten, einem uralten verdreckten Schlafsack schlief, völlig alkoholisiert eine Obdachlose. Als wir uns ihr näherten wurde der Gestank immer schlimmer und ließ schon auf einiges schließen, was noch unter den Decken sein musste. Als wir sie wecken wollten machte sich schließlich ein neben ihr unter alledem pennender Straßenköter bemerkbar, der aggressiv kläffend sein Revier zu verteidigen suchte. Als der vertrieben war konnten wir endlich die stark fiebrige Frau mit Medikamenten versorgen.
Wie dicht Feindseligkeit und Freundschaft bei den Obdachlosen hier zusammenhängen habe ich auch schon erlebt. Zwei von ihnen umarmten sich erst wie alte Buddys, als der eine zur Essensausgabe angeschlurft kam. Dann wurden vielleicht vier oder fünf Worte gewechselt und es entwickelte sich eine kurze Schlägerei zwischen den beiden, dass niemand dazwischen gehen wollte und schließlich nahm der eine dann den anderen mit zur Seite und dort umarmten sie sich wieder herzlich und drückten sich dann fest, um sich gegenseitig in die Luft zu heben.
Bisher bin auch schon zweimal extrem Alkoholisierten begegnet. Das eine Mal war das eigentlich gar nicht wild – der alte hatte gut getankt und wir ihn ausnahmsweise dann trotzdem mit Essen versorgt. Weil er das selbst nicht mehr tragen konnten, hatten wir es ihm dann zum Essensplatz seiner Wahl gebracht. Dort fanden wir ihn kurz darauf auch rücklings schlafend, die Suppe über seine Kleidung verteilt, wieder. Ein herrliches Bild, aber ich hatte den Fotoapparat vergessen, den Marco da am liebsten mal ausgeliehen hätte. Das andere Mal war erst gestern, als ein bestimmt zwei Meter großer und kräftig gebauter, relativ junger Obdachloser, der sich noch nicht einmal mehr artikulieren und nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte, in den Wagon torkele und ich just im Eingang stand und erstmal einen Meter zurück gegangen bin. Zum Glück hörte er schließlich auf unser Einreden, dass er warten müsse, bis er versorgt würde oder nie wieder etwas bekommen würde.
Im Großen und Ganzen aber ist die Arbeit beim Wagon immer ein kleines Abenteuer, bereichert und macht Spaß. Es ist sicherlich anderer Spaß als wenn im Kinderzentrum die kleinen einem zeigen wie sie am liebsten tanzen oder was sie so malen und was sie alles auf Englisch sagen können. Aber wenn ich von den Obdachlosen weggehe habe ich immer das angenehme Gefühl sicher nichts falsch gemacht zu haben.
Freitag, 5. Oktober 2007
Ein Tag im Kinderzentrum
Mit den Rolling Stones im Ohr geht es, gut voll gepumpt mit Nikotin, von der Hauptstraße in eine Seitengasse. Die schwarze Mütze tief ins Gesicht gezogen, die große dunkle Sonnenbrille auf der Nase, meine nachtschwarze Fließjacke übergezogen, Bluejeans und Segelschuhe an Beinen und Füßen, als einzigen Farbklecks manchmal meinen lila Schal um den Hals – die Erscheinung mag manche Passanten erstaunen, gerade wenn diese dann auf das katholische Kirchengelände abbiegt und flugs in einem alten Treppenhausfragment verschwindet, um eine Etage tiefer ins Kinderzentrum zu gehen. Dort folgt meist zunächst eine kurze Striptease-Einlage, da die Sachen, die ich morgens anziehe sich nach dem Wetter morgens richten, welches bisher um die Mittagszeit immer sehr unterschiedlich war. Innerhalb weniger Stunden wird es von eiskalt höllisch heiß hier. Von Jacke, Mütze und Schal befreit geht es dann zunächst meist noch mal nach draußen, um meine letzte Zigarette zu rauchen, bevor die Kleinen kommen, vor denen ich natürlich keine Glimmstängel auspacken darf (der Schein sei der Erziehung zur Liebe gewahrt). Das Kinderzentrum selbst ist „einfach gehalten“, um es mal schlicht auszudrücken. Man mag aber auch unken, dass das Gebäude bereits länger steht als die Neandertaler liegen, wenn ihr versteht was ich meine. Drinnen ist es allerdings bedeutend netter eingerichtet als der äußere Schein vermuten lässt. Es gibt eine saubere Toilette (ich erwähne das, weil man die sogar in Restaurants schwerlich findet), einen großen „Versammlungsraum“, dessen Tische und Stühle aber meist der Tischtennisplatte weichen müssen – sehr zu meiner Freude (Stefan, nimm dich in Acht!) – sowie einen kleineren Raum, der auf einen kleinen Durchgang mit Küche folgt, in dem ein Tisch und Stühle zum Basteln, Schränke für alle möglichen Utensilien, ein Schreibtisch für den Papierkram und vor Nostalgie strotzende Computer stehen. Für den nötigen geistlichen Beistand sorgen die Mutter Gottes und ein kleines Gebet (welches kann ich leider noch nicht sagen) an den Wänden. Im Großen und Ganzen ist alles sauber, wobei einem manchmal eng werden kann, wenn die ganze Mannschaft sich in der kleinen Hütte drängt. Aber dann kann man ja immer noch nach draußen gehen und eine Partie Badminton spielen, wobei man tunlichst darauf achten sollte, seinen Elan zu zügeln, was die vielen spitzen Steine und Metallgegenstände auf dem Gelände vor dem Kinderzentrum aufs Peinlichste gebieten.
Aber zurück zu meinem Arbeitstag. Ich warte also nach der Kippe drinnen, lese eines der vielen Bücher, die ich mit rüber genommen habe (ich glaube fast, dass Literatur den Großteil meines Gepäcks ausgemacht hat, obwohl ich ja zuhause kaum gelesen habe. Mittlerweile erweist sich dies aber als wahrer Segen, da ich so jede Pause sinnvoll und – nun ja, bleibe ich mal schwammig – bereichernd nutzen kann). Zwischen ein und zwei Uhr kommen dann die Kinder. Ein Handschlag, „Privjet“, dann raus mit dem Hausaufgabenheft und ich helfe schon mal den französischen Text über „Trampen an die Côte d’Azur“ zu übersetzen. Das ist eine meiner Lieblingsaufgaben. Da ich des Russischen natürlich nicht viel mächtiger bin als die meisten Kinder hier des Englischen nach drei oder vier Jahren Unterricht, muss ich entweder die Dinge auf Englisch übersetzen, die dann wiederum ein älterer Junge, der schon fünf oder sechs Jahre Englisch hat, ins Russische übersetzt oder ich bin gezwungen die Situation à la „Activity“ zu erklären. Im Klartext fordert das nicht selten das Lösen eines gordischen Knotens, wenn man nur pantomimisch, durch malen und ein paar Wörter den Satz: „Zwei Schauspieler, ein Mann und dessen Frau, mimen an einer Bushaltestelle, in der Nähe eines Bootsanlegers in einem Vorort von Paris, Tramper verschiedenen Aussehens, um herauszubekommen, welches Aussehen den besten Eindruck auf Autofahrer macht, während ein Journalist in einer uneinsichtigen Ecke die Erfolge und Misserfolge zählt“ ins Reine bringen soll. Bei diesem Musterexemplar widerlicher Verschachtelungen (meine nachträgliche Entschuldigung an meine Geschichts-, Deutsch-, und Englischlehrer) mussten wir natürlich auch manchmal das Lexikon zur Hilfe nehmen. Da dort aber auch nicht alles drinsteht, frage ich mich wie die Kinder die Hausaufgaben wohl lösen, wenn ich nicht dabei bin. Sei’s drum – nun bin ich ja da und stehe nach Vermögen zu diensten. Zu zwei Uhr dann gehen alle Kinder mit Gruppenleiterinnen und mir zur Mensa, zwei Straßen weiter. Dort angekommen, werden erstmal die Handys ausgepackt und es wird eifrig die neuste Musik verglichen und wer dazu noch Clips spielen kann und die Mucke in Ohrzerberstende Lautstärke reißen kann ist dann der King of Currywurst, beziehungsweise Kantinenfraß. Denn nachdem sich alle aus der Schule kommenden Kids versammelt haben geht es dann hinein in die Fressbude, in der sich die Lieben dann auch meist sehr ordentlich betragen wollen, da es extra zu diesem Zweck auch eine Hausordnung (von ihnen selbst aufgestellt und unterzeichnet) gibt. Zunächst werden die Hände gewaschen, dann wird das Essen von einigen serviert. Alle warten hübsch, bis jeder alles hat und fangen dann erst an zu panschen. Ein besonderer Leckerbissen ist die Suppe, die bis kurz vor dem Servieren noch in zwei Bestandteile geteilt ist: Heißes Wasser mit Brühwürfel, zumeist Kartoffelstücke und ein bisschen Gemüse trifft erst, wenn es aus dem großen Pott auf den Teller gegeben wird auf ein armselig kleines Stückchen Fleisch, welches sobald aus einem anderen Schälchen dazukommt. Ich möchte nicht gehässig klingen, aber ich finde es einfach nur zu niedlich, dass das Fleisch so exakt portioniert wird, als wenn es nicht auch noch welches im Hauptgang gäbe. Dieser besteht dann meist aus ein wenig von selbigem und Gemüse oder Reis. Nie besonders viel, aber da ich meist kurz vorher erst frühstücke ist das schon in Ordnung. Ein wahres Abenteuer ist meist der Salat. Er besteht wohl aus zwei Arten außerkosmischen Krauts (weiß und rot, aber es sind nicht Weißkraut und Rotkohl, die beiden Widerlinge kenne ich ja), nackendem Fisch, den man ein wenig matschen kann (dann hängt er in glibberigen Fäden die Gabel hinunter) und zu guter letzt einer weißen Sauce, die irgendwie, weil so niedlich garniert, an etwas zähflüssigere Kokosmilch erinnert. Meist kann ich einen guten Tausch machen, der mich, nachdem ich diesen „gesunden“ Leckerbissen abgetreten habe, eines weiteren Nachtischteilchens mit Zuckerguss bemächtigt. Dazu gibt es meist einen edlen Tropfen aus dem Trinkpäckchen. Okay, das Essen ist wie ihr sehen könnt kein Hochgenuss, aber dafür ist es ja nun einmal umsonst und einem geschenkten Gaul … ihr kennt die Story.
Beachtenswert ist, dass sowohl in der Mensa als auch im Kinderzentrum eigentlich fast alle Gebote eingehalten werden. So sind die Kinder immer zuvorkommend, geben die Hand, verhalten sich (spätestens nach einer kurzen Ermahnung) ruhig, werfen sich keine Schimpfwörter an den Kopf (sicher entflieht ihnen auch mal ein „Scheiße“ oder „Wichser“, aber das nur im Bezug auf einen durch sich selbst missglückten Aufschlag beim Tischtennis oder auf einen Fehler in den Hausaufgaben). Das einzige, was die Kleinen nicht können ist aufhören sich zu kloppen. Dabei gibt es meist einen gewissen Ablauf. Die Kleinsten zanken sich meist untereinander mit viel Spielerei, bis die Größeren auch Lust bekommen (wieso sollte es auch der Kleineren Vorrecht sein sich prügeln zu dürfen?) zuzulangen, was wiederum recht ungleiche Duelle gibt. Scheinbar bin ich, neben denen, die es abbekommen, aber der einzige, den das stört. Ich will nicht sagen, dass sich in der Gruppe ständig gehauen wird, aber doch um einiges öfter als ich es aus meinen Gruppenstunden in Aschendorf kenne und Messdiener sind schließlich auch keine besseren Menschen. Ich denke, ich werde nun verstärkt Russisch lernen, damit ich auch mal verbal dazwischen gehen kann, wenn es wieder heißt:„In der blauen Ecke der 16jährige Sergej … und in der roten Ecke der 10jährige Andrej.“
Nach dem Essen dann geht es mit all denen Kindern die noch Lust haben wieder zurück zum Kinderzentrum. Dort werden dann wieder die Französisch-, Englisch- oder Deutschsachen ausgepackt und ich helfe beim Lesen und Übersetzen von Texten. Wer will kann aber auch Tischtennis spielen, Badminton zocken, basteln, malen, Schachspielen oder was auch immer die Materialien hergeben. Möglichkeiten sind genug da und die Kinder organisieren sich die Zeit dann selbst. Ich gehe meist mit denen, die mich konkret fragen ob ich dies oder das mit ihnen lernen oder spielen will. Lange warten muss ich darauf selten, dafür bin ich – zumindest jetzt noch – viel zu interessant. Wie wohl das Leben in Deutschland sei? Ob es bei uns auch Ampeln gebe oder ob wir den Verkehr intelligenter regeln? Ob deutsche Städte viel sauberer seien? Manchmal schlägt aber auch der russische Nationalstolz zu:„Welche russischen Sänger kennt ihr denn so in Deutschland?“ „Nun“, muss ich dann immer antworten, „außer T.A.T.U. kennen die meisten Deutschen nicht eine russische Gruppe“. Dass ich persönlich auch von denen kein Fan bin verschweige ich dann galant, um nur schnell hinzuzufügen, dass ich selbst natürlich russische Musik sehr verehre, was noch nicht einmal gelogen ist, denn es gibt gerade was russische Volksmusik angeht Anspruchsvolleres als das Popgenre vermuten lässt oder wenn man von unserer deutschen Volksmusik ausgeht: was potthässliche Röcke und jodelnde Opas mit Ganzkörperwildwuchs vermuten lassen.
Herrlich ist aber auch der Sprachenmix im Kinderzentrum. Mit einem vielleicht 14 oder 15 Jahre alten Jungen rede ich Französisch, mit den beiden ältesten Englisch. Mit den anderen behelfe ich mir mit meinem wenigen Russisch und zwei anderen helfe ich mit Deutsch. Gerade beim Tischtennis wird es dann witzig: Je nachdem, mit wem ich spiele wird mal in dieser, mal in jener Sprache gezählt. Wird dann ein „Niet!“ in den Raum gebellt, wenn mein Gegenüber 15 zu 7 auf Englisch sagt, steht immer die Frage im Raum, ob das Ergebnis oder die Aussprache korrigiert werden sollte.
Die Gruppe selbst besteht mal aus mehr, mal aus weniger Kindern. Zumeist sind wir etwa fünfzehn in der Mensa, später dann im Zentrum noch sieben bis zehn. Dies ist aber von Tag zu Tag variabel. Ironischerweise kommt auf drei Gruppenleiterinnen gerade mal ein Mädchen, der Rest der Gruppe besteht aus Jungen, sodass ich nun den Leitwolf spielen darf. Die Rolle an sich ist ja ganz witzig, so kann ich immer bestimmen was „cool“ und was „lahm“ ist, trägt aber auch einiges an Verantwortung mit sich. Die Kinder sind ganz verschieden alt (schätzungsweise zwischen zehn und sechzehn Jahren) und auch charakterlich ganz verschieden. Die einen sind noch recht kindlich, während andere schon voll pubertieren (nur erwachsene Züge hat noch keiner von ihnen, wie ich immer dann, wenn ich einen für etwas reifer als die anderen beurteilen möchte durch eine Rauferei einsehen muss), einige reden schnell und viel mit mir, andere setzen sich lieber an einen kleinen Dreiertisch und fangen dann mal ein Gespräch an. Über sie zu sprechen bin ich leider bisher noch kaum gekommen, aus den Unterlagen der Caritas aber geht hervor, dass die Elternteile häufig beide trinken und/oder spielen und die Kleinen dadurch zuhause keine wirkliche Beachtung erfahren und auch keinen ausreichenden Raum haben sich zu entwickeln. In der nächsten Zeit hoffe ich eventuell mal eine Familie des einen oder anderen besuchen zu können, um eventuell mal selbst einen Eindruck zu bekommen. Die Wohnungen sollen nämlich auch nicht wirklich für die Anzahl der Bewohnenden gemacht sein.
Ich hoffe, ihr habt nun einen kleinen Einblick in meine Tätigkeit bekommen. Ich werde in dieser Woche auch versuchen einige Bilder hoch zu laden, damit ihr euch besser vorstellen könnt wie alles aussieht. Bis dahin fühlt euch so erhaben wie die Leute, die immer behaupten das Buch sei um Längen besser als der Film, da dieser die Phantasie zerstöre und allgemein nur so wenig von dem einfange, was geschrieben stehe. Jetzt habt ihr mal ein bisschen mehr zu lesen als die letzten Male. Ich hoffe, ich kann das nun jede Woche so machen.
Bis dahin nächste Woche
Jörg
Aber zurück zu meinem Arbeitstag. Ich warte also nach der Kippe drinnen, lese eines der vielen Bücher, die ich mit rüber genommen habe (ich glaube fast, dass Literatur den Großteil meines Gepäcks ausgemacht hat, obwohl ich ja zuhause kaum gelesen habe. Mittlerweile erweist sich dies aber als wahrer Segen, da ich so jede Pause sinnvoll und – nun ja, bleibe ich mal schwammig – bereichernd nutzen kann). Zwischen ein und zwei Uhr kommen dann die Kinder. Ein Handschlag, „Privjet“, dann raus mit dem Hausaufgabenheft und ich helfe schon mal den französischen Text über „Trampen an die Côte d’Azur“ zu übersetzen. Das ist eine meiner Lieblingsaufgaben. Da ich des Russischen natürlich nicht viel mächtiger bin als die meisten Kinder hier des Englischen nach drei oder vier Jahren Unterricht, muss ich entweder die Dinge auf Englisch übersetzen, die dann wiederum ein älterer Junge, der schon fünf oder sechs Jahre Englisch hat, ins Russische übersetzt oder ich bin gezwungen die Situation à la „Activity“ zu erklären. Im Klartext fordert das nicht selten das Lösen eines gordischen Knotens, wenn man nur pantomimisch, durch malen und ein paar Wörter den Satz: „Zwei Schauspieler, ein Mann und dessen Frau, mimen an einer Bushaltestelle, in der Nähe eines Bootsanlegers in einem Vorort von Paris, Tramper verschiedenen Aussehens, um herauszubekommen, welches Aussehen den besten Eindruck auf Autofahrer macht, während ein Journalist in einer uneinsichtigen Ecke die Erfolge und Misserfolge zählt“ ins Reine bringen soll. Bei diesem Musterexemplar widerlicher Verschachtelungen (meine nachträgliche Entschuldigung an meine Geschichts-, Deutsch-, und Englischlehrer) mussten wir natürlich auch manchmal das Lexikon zur Hilfe nehmen. Da dort aber auch nicht alles drinsteht, frage ich mich wie die Kinder die Hausaufgaben wohl lösen, wenn ich nicht dabei bin. Sei’s drum – nun bin ich ja da und stehe nach Vermögen zu diensten. Zu zwei Uhr dann gehen alle Kinder mit Gruppenleiterinnen und mir zur Mensa, zwei Straßen weiter. Dort angekommen, werden erstmal die Handys ausgepackt und es wird eifrig die neuste Musik verglichen und wer dazu noch Clips spielen kann und die Mucke in Ohrzerberstende Lautstärke reißen kann ist dann der King of Currywurst, beziehungsweise Kantinenfraß. Denn nachdem sich alle aus der Schule kommenden Kids versammelt haben geht es dann hinein in die Fressbude, in der sich die Lieben dann auch meist sehr ordentlich betragen wollen, da es extra zu diesem Zweck auch eine Hausordnung (von ihnen selbst aufgestellt und unterzeichnet) gibt. Zunächst werden die Hände gewaschen, dann wird das Essen von einigen serviert. Alle warten hübsch, bis jeder alles hat und fangen dann erst an zu panschen. Ein besonderer Leckerbissen ist die Suppe, die bis kurz vor dem Servieren noch in zwei Bestandteile geteilt ist: Heißes Wasser mit Brühwürfel, zumeist Kartoffelstücke und ein bisschen Gemüse trifft erst, wenn es aus dem großen Pott auf den Teller gegeben wird auf ein armselig kleines Stückchen Fleisch, welches sobald aus einem anderen Schälchen dazukommt. Ich möchte nicht gehässig klingen, aber ich finde es einfach nur zu niedlich, dass das Fleisch so exakt portioniert wird, als wenn es nicht auch noch welches im Hauptgang gäbe. Dieser besteht dann meist aus ein wenig von selbigem und Gemüse oder Reis. Nie besonders viel, aber da ich meist kurz vorher erst frühstücke ist das schon in Ordnung. Ein wahres Abenteuer ist meist der Salat. Er besteht wohl aus zwei Arten außerkosmischen Krauts (weiß und rot, aber es sind nicht Weißkraut und Rotkohl, die beiden Widerlinge kenne ich ja), nackendem Fisch, den man ein wenig matschen kann (dann hängt er in glibberigen Fäden die Gabel hinunter) und zu guter letzt einer weißen Sauce, die irgendwie, weil so niedlich garniert, an etwas zähflüssigere Kokosmilch erinnert. Meist kann ich einen guten Tausch machen, der mich, nachdem ich diesen „gesunden“ Leckerbissen abgetreten habe, eines weiteren Nachtischteilchens mit Zuckerguss bemächtigt. Dazu gibt es meist einen edlen Tropfen aus dem Trinkpäckchen. Okay, das Essen ist wie ihr sehen könnt kein Hochgenuss, aber dafür ist es ja nun einmal umsonst und einem geschenkten Gaul … ihr kennt die Story.
Beachtenswert ist, dass sowohl in der Mensa als auch im Kinderzentrum eigentlich fast alle Gebote eingehalten werden. So sind die Kinder immer zuvorkommend, geben die Hand, verhalten sich (spätestens nach einer kurzen Ermahnung) ruhig, werfen sich keine Schimpfwörter an den Kopf (sicher entflieht ihnen auch mal ein „Scheiße“ oder „Wichser“, aber das nur im Bezug auf einen durch sich selbst missglückten Aufschlag beim Tischtennis oder auf einen Fehler in den Hausaufgaben). Das einzige, was die Kleinen nicht können ist aufhören sich zu kloppen. Dabei gibt es meist einen gewissen Ablauf. Die Kleinsten zanken sich meist untereinander mit viel Spielerei, bis die Größeren auch Lust bekommen (wieso sollte es auch der Kleineren Vorrecht sein sich prügeln zu dürfen?) zuzulangen, was wiederum recht ungleiche Duelle gibt. Scheinbar bin ich, neben denen, die es abbekommen, aber der einzige, den das stört. Ich will nicht sagen, dass sich in der Gruppe ständig gehauen wird, aber doch um einiges öfter als ich es aus meinen Gruppenstunden in Aschendorf kenne und Messdiener sind schließlich auch keine besseren Menschen. Ich denke, ich werde nun verstärkt Russisch lernen, damit ich auch mal verbal dazwischen gehen kann, wenn es wieder heißt:„In der blauen Ecke der 16jährige Sergej … und in der roten Ecke der 10jährige Andrej.“
Nach dem Essen dann geht es mit all denen Kindern die noch Lust haben wieder zurück zum Kinderzentrum. Dort werden dann wieder die Französisch-, Englisch- oder Deutschsachen ausgepackt und ich helfe beim Lesen und Übersetzen von Texten. Wer will kann aber auch Tischtennis spielen, Badminton zocken, basteln, malen, Schachspielen oder was auch immer die Materialien hergeben. Möglichkeiten sind genug da und die Kinder organisieren sich die Zeit dann selbst. Ich gehe meist mit denen, die mich konkret fragen ob ich dies oder das mit ihnen lernen oder spielen will. Lange warten muss ich darauf selten, dafür bin ich – zumindest jetzt noch – viel zu interessant. Wie wohl das Leben in Deutschland sei? Ob es bei uns auch Ampeln gebe oder ob wir den Verkehr intelligenter regeln? Ob deutsche Städte viel sauberer seien? Manchmal schlägt aber auch der russische Nationalstolz zu:„Welche russischen Sänger kennt ihr denn so in Deutschland?“ „Nun“, muss ich dann immer antworten, „außer T.A.T.U. kennen die meisten Deutschen nicht eine russische Gruppe“. Dass ich persönlich auch von denen kein Fan bin verschweige ich dann galant, um nur schnell hinzuzufügen, dass ich selbst natürlich russische Musik sehr verehre, was noch nicht einmal gelogen ist, denn es gibt gerade was russische Volksmusik angeht Anspruchsvolleres als das Popgenre vermuten lässt oder wenn man von unserer deutschen Volksmusik ausgeht: was potthässliche Röcke und jodelnde Opas mit Ganzkörperwildwuchs vermuten lassen.
Herrlich ist aber auch der Sprachenmix im Kinderzentrum. Mit einem vielleicht 14 oder 15 Jahre alten Jungen rede ich Französisch, mit den beiden ältesten Englisch. Mit den anderen behelfe ich mir mit meinem wenigen Russisch und zwei anderen helfe ich mit Deutsch. Gerade beim Tischtennis wird es dann witzig: Je nachdem, mit wem ich spiele wird mal in dieser, mal in jener Sprache gezählt. Wird dann ein „Niet!“ in den Raum gebellt, wenn mein Gegenüber 15 zu 7 auf Englisch sagt, steht immer die Frage im Raum, ob das Ergebnis oder die Aussprache korrigiert werden sollte.
Die Gruppe selbst besteht mal aus mehr, mal aus weniger Kindern. Zumeist sind wir etwa fünfzehn in der Mensa, später dann im Zentrum noch sieben bis zehn. Dies ist aber von Tag zu Tag variabel. Ironischerweise kommt auf drei Gruppenleiterinnen gerade mal ein Mädchen, der Rest der Gruppe besteht aus Jungen, sodass ich nun den Leitwolf spielen darf. Die Rolle an sich ist ja ganz witzig, so kann ich immer bestimmen was „cool“ und was „lahm“ ist, trägt aber auch einiges an Verantwortung mit sich. Die Kinder sind ganz verschieden alt (schätzungsweise zwischen zehn und sechzehn Jahren) und auch charakterlich ganz verschieden. Die einen sind noch recht kindlich, während andere schon voll pubertieren (nur erwachsene Züge hat noch keiner von ihnen, wie ich immer dann, wenn ich einen für etwas reifer als die anderen beurteilen möchte durch eine Rauferei einsehen muss), einige reden schnell und viel mit mir, andere setzen sich lieber an einen kleinen Dreiertisch und fangen dann mal ein Gespräch an. Über sie zu sprechen bin ich leider bisher noch kaum gekommen, aus den Unterlagen der Caritas aber geht hervor, dass die Elternteile häufig beide trinken und/oder spielen und die Kleinen dadurch zuhause keine wirkliche Beachtung erfahren und auch keinen ausreichenden Raum haben sich zu entwickeln. In der nächsten Zeit hoffe ich eventuell mal eine Familie des einen oder anderen besuchen zu können, um eventuell mal selbst einen Eindruck zu bekommen. Die Wohnungen sollen nämlich auch nicht wirklich für die Anzahl der Bewohnenden gemacht sein.
Ich hoffe, ihr habt nun einen kleinen Einblick in meine Tätigkeit bekommen. Ich werde in dieser Woche auch versuchen einige Bilder hoch zu laden, damit ihr euch besser vorstellen könnt wie alles aussieht. Bis dahin fühlt euch so erhaben wie die Leute, die immer behaupten das Buch sei um Längen besser als der Film, da dieser die Phantasie zerstöre und allgemein nur so wenig von dem einfange, was geschrieben stehe. Jetzt habt ihr mal ein bisschen mehr zu lesen als die letzten Male. Ich hoffe, ich kann das nun jede Woche so machen.
Bis dahin nächste Woche
Jörg
Dienstag, 2. Oktober 2007
Es warten alle...
Jaja, so ist das, wenn man den ganzen Tag nur ueber die Buecher nachdenkt, die man so liesst, isst, sich freut viel geschafft zu haben, seine Hausaufgaben beendet hat und alles gut scheint - da macht mal schonmal Versprechungen, die man gar nicht halten kann. Siehe gestern Abend, als Russlan mich fragte, ob ich heute mit ihm zu den Obdachlosen ins Zentrum gehen wuerde. "Klar" sage ich und denke "Mach ich doch jeden Dienstag". Sicher, jeden Dienstag ist Obdachlosenversorgung fuer mich angesagt, aber nicht im Zentrum, sondern beim Caritas-Wagen und dort warteten alle Amtlichen vergeblich auf mich. Letztlich stellte sich mein Faux-Pas aber als Gluecksgriff dar: Waere ich nicht mit Russlan gegangen, so haetten die Obdachlosen im Zentrum heute nichts bekommen, da er den Kram allein nicht schleppen kann. Die Obdachlosen beim Wagon haben aber so oder so bekommen, was vorbereitet war.
Im Allgemeinen laeuft aber alles sehr gut. Heute habe ich ausserdem im Kinderprojekt gearbeitet und die Hotelzimmer fuer ankommende Gaeste aus Deutschland reserviert. Das war vielleicht ein Akt. Ich glaube, die Leute sprechen nirgendwo so wenig Englisch wie in Wolgograd. Fast alles gab ich Bruchstueckhaft, mit deutsch durchmischt und mit Gesten garniert an Ina, eine Mitarnbeiterin der Caritas weiter. Was nicht ging wurde eilig im Woerterbuch nachgeschlagen. Schlussendlich, nachdem sie dann fuer den Portier alles in gutes russisch transformiert hatte, war dann aber alles im Lot und ich konnte mich auf nach Hause machen. Mein Wochenende war ausgesprochen kurz, da ich immer viel zu tun habe. Entweder gibt es noch Besorgungen zu machen oder dies oder jenes will noch gesehen werden. Ausserdem habe ich samstags immer Uni. Das nervt schon ein wenig und ich liebaeugle damit, es auf einen anderen Tag zu verschieben. Ich glaube in meinem Leben noch nie soviel gelesen zu haben wie ich es im Moment tue. Will nicht jemand eine deutsche Bibliothek in Volgograd aufmachen? Ich waere sein taeglicher Stammgast! Da ich in der letzten Wochen viele Emails erhalten habe, die ich nicht alle beantworten konnte, sei hier versichert, dass ich das nachholen werde.
Bis ich das naechste Mal im Internet bin, wuensche ich allen alles Gute.
Joerg
Im Allgemeinen laeuft aber alles sehr gut. Heute habe ich ausserdem im Kinderprojekt gearbeitet und die Hotelzimmer fuer ankommende Gaeste aus Deutschland reserviert. Das war vielleicht ein Akt. Ich glaube, die Leute sprechen nirgendwo so wenig Englisch wie in Wolgograd. Fast alles gab ich Bruchstueckhaft, mit deutsch durchmischt und mit Gesten garniert an Ina, eine Mitarnbeiterin der Caritas weiter. Was nicht ging wurde eilig im Woerterbuch nachgeschlagen. Schlussendlich, nachdem sie dann fuer den Portier alles in gutes russisch transformiert hatte, war dann aber alles im Lot und ich konnte mich auf nach Hause machen. Mein Wochenende war ausgesprochen kurz, da ich immer viel zu tun habe. Entweder gibt es noch Besorgungen zu machen oder dies oder jenes will noch gesehen werden. Ausserdem habe ich samstags immer Uni. Das nervt schon ein wenig und ich liebaeugle damit, es auf einen anderen Tag zu verschieben. Ich glaube in meinem Leben noch nie soviel gelesen zu haben wie ich es im Moment tue. Will nicht jemand eine deutsche Bibliothek in Volgograd aufmachen? Ich waere sein taeglicher Stammgast! Da ich in der letzten Wochen viele Emails erhalten habe, die ich nicht alle beantworten konnte, sei hier versichert, dass ich das nachholen werde.
Bis ich das naechste Mal im Internet bin, wuensche ich allen alles Gute.
Joerg
Mittwoch, 26. September 2007
Ganz schnell eben
Hallodrio!
Ich will heute nur schnell meine Adresse und Telefonnummer, wenn ihr mal eine SMS oder so schicken wollt oder dicke Knete habt, online stellen.
Nummer: 89033769062 (wie das mit der 007 Vorwahl oder so ist, weiss ich nicht)
Adresse (in roemischen Buchstaben):
Joerg Schoepper
Ul. Eleni Stempkowskoi
400075 Wolgograd
Russland
ladet euch aber bitte auch russische Schriftzeichen runter, damit ihr auch Folgendes lesen koennt, da ich glaube, man sollte lieber die Adresse auch kyrillisch schreiben:
ЙОРГ ШЕППЕР
УЛ. ЕЛЕНЫ СТЕМПКОВСКОЙ
400075 ВОЛГОГРАД
Am besten, ihr mahlt die Buchstaben aus dem Internet genau ab (auch wenn die unseren sehr aehnlich scheinen) oder guckt das russische Alphabeth nach oder fragt jemanden, der kyrillisch kann, ob ihr das richtig geschrieben habt. Zur Info: Alles ist gross geschrieben. =)
Achja: Wenn ihr postet und gern mal einen Brief von mir haben wollt, schickt mir doch bitte eure Adresse per Mail oder schreibt sie in den Post. Danke
Joerg
Ich will heute nur schnell meine Adresse und Telefonnummer, wenn ihr mal eine SMS oder so schicken wollt oder dicke Knete habt, online stellen.
Nummer: 89033769062 (wie das mit der 007 Vorwahl oder so ist, weiss ich nicht)
Adresse (in roemischen Buchstaben):
Joerg Schoepper
Ul. Eleni Stempkowskoi
400075 Wolgograd
Russland
ladet euch aber bitte auch russische Schriftzeichen runter, damit ihr auch Folgendes lesen koennt, da ich glaube, man sollte lieber die Adresse auch kyrillisch schreiben:
ЙОРГ ШЕППЕР
УЛ. ЕЛЕНЫ СТЕМПКОВСКОЙ
400075 ВОЛГОГРАД
Am besten, ihr mahlt die Buchstaben aus dem Internet genau ab (auch wenn die unseren sehr aehnlich scheinen) oder guckt das russische Alphabeth nach oder fragt jemanden, der kyrillisch kann, ob ihr das richtig geschrieben habt. Zur Info: Alles ist gross geschrieben. =)
Achja: Wenn ihr postet und gern mal einen Brief von mir haben wollt, schickt mir doch bitte eure Adresse per Mail oder schreibt sie in den Post. Danke
Joerg
Donnerstag, 20. September 2007
Und wieder ein neuer Eintrag
Hi Leute,
dieses Mal kann ich leider nicht so viel schreiben, da ich wenig Zeit habe. Ich bin in den letzten Tage viel herumgereist, habe die grossen Denkmaeler der Stadt gesehen, bin bei den Obdachlosen, den Kindern und der Universitaet gewesen. Es waren viele eindrucksvolle Erlebnisse dabei, so beispielsweise das Besuchen eines Schlafplatzes der Obdachlosen und mein Gang durch die Gedenkstaette der gefallenen sowjetischen Soldaten. Ich wuenschte erzaehlen zu koennen, wie es mir dabei ging, aber das sprengt momentan meinen zeitlichen Rahmen.
Ich hoffe entweder naechste Woche oder schon etwas frueher ein wenig editieren zu koennen. Ansonsten geht es mir immer noch gut, habe bereits meinen ersten Grippeanflug hier ueberstanden. Ich muss nun schluss machen, da Marco telefonieren will. =)
dieses Mal kann ich leider nicht so viel schreiben, da ich wenig Zeit habe. Ich bin in den letzten Tage viel herumgereist, habe die grossen Denkmaeler der Stadt gesehen, bin bei den Obdachlosen, den Kindern und der Universitaet gewesen. Es waren viele eindrucksvolle Erlebnisse dabei, so beispielsweise das Besuchen eines Schlafplatzes der Obdachlosen und mein Gang durch die Gedenkstaette der gefallenen sowjetischen Soldaten. Ich wuenschte erzaehlen zu koennen, wie es mir dabei ging, aber das sprengt momentan meinen zeitlichen Rahmen.
Ich hoffe entweder naechste Woche oder schon etwas frueher ein wenig editieren zu koennen. Ansonsten geht es mir immer noch gut, habe bereits meinen ersten Grippeanflug hier ueberstanden. Ich muss nun schluss machen, da Marco telefonieren will. =)
Dienstag, 11. September 2007
Nach einer Woche...
Hi,
Nach einer Woche Volgograd geht es mir immer noch gut. Mittlerweile habe ich schon ein bisschen gearbeitet mit Obdachlosen. Morgen werde ich ins Strassenkinderprojekt eingefuehrt und kann anfangen an der Universitaet russisch zu studieren (dann bin ich offizieller Student =) ) Ansonsten arbeite ich hier ein wenig mit im Haus. Habe heute zum Beispiel den grossen Muelleimer draussen mit Marco gestrichen. Morgen wird er fuer zwei Tage nach Elista gehen, also darf ich die Kueche uebernehmen. Ich lese viel und hoere Musik. Momentan sitzt Bahira neben mir. Sie kommt aus Moskau und geht wieder dorthin am Donnestag. Gluecklicher weise spricht sie Englisch, sodass ich mich ein wenig besser verstaendigen kann. Wolgograd ist ein unglaublich schoene Stadt und die Wolga selbst ist auch nicht zu verachten. Ich habe mittlerweile sogar japanisch gegessen. Und es war wirklich lecker! Russische Zigaretten sind ebenfalls wirklich gut und echt mal guenstig, sodass man sich die Packung einfach leisten kann ohne Holz zu rauchen. Wenn ich Pech habe, werde ich hier noch ein richtiger Katholik, weil Russlan mich jeden Tag, wenn ich mit ihm in der Stadt bin zum Abschluss in die Kirche zerrt. Ich war nun schon dreimal dort. Mein Russisch wird langsam aber sicher besser und manchmal kann ich auch Saetze bauen (die Wohl noch aus undeklinierten Worten bestehen) und mich so verstaenlich machen. Ich spiele abends oft Nardi (sieht so aus wie Backgammon, kann mir einer sagen wie das funktioniert?) Vielleicht ist es das gleiche) ich spiele immer gegen Marco. Momentan steht es 3:2 fuer ihn.
Spaetestens naechste Woche schreibe ich wieder und dann kommt auch meiner Adresse hier rein. Schreibt mir noch keine SMS bitte, da ich die hier nich empfangen kann. Werde demnaecht eine russische Karte bekommen, dann stelle ich die Nummer online und ihr koennt was schreiben. Bis dahin, euer
Joerg
Nach einer Woche Volgograd geht es mir immer noch gut. Mittlerweile habe ich schon ein bisschen gearbeitet mit Obdachlosen. Morgen werde ich ins Strassenkinderprojekt eingefuehrt und kann anfangen an der Universitaet russisch zu studieren (dann bin ich offizieller Student =) ) Ansonsten arbeite ich hier ein wenig mit im Haus. Habe heute zum Beispiel den grossen Muelleimer draussen mit Marco gestrichen. Morgen wird er fuer zwei Tage nach Elista gehen, also darf ich die Kueche uebernehmen. Ich lese viel und hoere Musik. Momentan sitzt Bahira neben mir. Sie kommt aus Moskau und geht wieder dorthin am Donnestag. Gluecklicher weise spricht sie Englisch, sodass ich mich ein wenig besser verstaendigen kann. Wolgograd ist ein unglaublich schoene Stadt und die Wolga selbst ist auch nicht zu verachten. Ich habe mittlerweile sogar japanisch gegessen. Und es war wirklich lecker! Russische Zigaretten sind ebenfalls wirklich gut und echt mal guenstig, sodass man sich die Packung einfach leisten kann ohne Holz zu rauchen. Wenn ich Pech habe, werde ich hier noch ein richtiger Katholik, weil Russlan mich jeden Tag, wenn ich mit ihm in der Stadt bin zum Abschluss in die Kirche zerrt. Ich war nun schon dreimal dort. Mein Russisch wird langsam aber sicher besser und manchmal kann ich auch Saetze bauen (die Wohl noch aus undeklinierten Worten bestehen) und mich so verstaenlich machen. Ich spiele abends oft Nardi (sieht so aus wie Backgammon, kann mir einer sagen wie das funktioniert?) Vielleicht ist es das gleiche) ich spiele immer gegen Marco. Momentan steht es 3:2 fuer ihn.
Spaetestens naechste Woche schreibe ich wieder und dann kommt auch meiner Adresse hier rein. Schreibt mir noch keine SMS bitte, da ich die hier nich empfangen kann. Werde demnaecht eine russische Karte bekommen, dann stelle ich die Nummer online und ihr koennt was schreiben. Bis dahin, euer
Joerg
Mittwoch, 5. September 2007
меня зовут ёрг - Ich heisse Joerg
Hi,
Gestern Abend um 12:00 Uhr Ortszeit bin ich in Volgograd angekommen. Ich bin angekommen. Mein Koffer nicht. Der war leider noch in Moskau, weswegen ich die erste Nacht mit 1600 Euro in einem eingenaehten Geheimfach in meiner Unterhose, stinkend wie der letzte Iltis verbringen musste. Das Geld bin ich immer noch nicht los, dafuer aber die Unterhose, denn das fehlende Gepaeckstueck kam dann heute doch noch am Volgograder Flughafen an. Der Hinflug war nichts fuer schwache Nerven. Ziemlich genau als wir die russische Grenze passiert hatten begann mich ein tueckisches Nasenbluten heimzusuchen, was allerdings noch vom Bordpersonal gestoppt werden konnte. In Moskau allerdings haeuften sich die Probleme: Zuerst musste ich mit einem winzigen bisschen Russisch und Englisch (was die aber nicht wirklich verstehen) zum Transit kommen, um den Flughafen zu wechseln. Dieser Transit haette mich dabei beinahe um den Anschlussflug gebracht, da er so unregelmaessig faehrt. In der Maschine sitzend wuenschte ich mir dann ich haette den Flieger verpasst: Ausruestung aus Weltkriegszeiten liessen boeseres Vermuten als auf mich zu kam. Am Flughafen dann Ernuechterung ob des Gepaecks aber frohen Mutes weiter in die Wohnung. Ich wurde mit dem Noetigsten versorgt: Wurstbrot mit mehr Wurst als Brot (<>), Coca Cola und Zigaretten. Ernsthaft kann ich mich nicht beklagen. Ich habe ein eigenes Zimmer, kann hier nebenan ins Internet, die Toilette ist sauber, wie die Kueche und das Wohnzimmer, die leute sind nett, wenn auch nicht ohne Hintergrund (ein 65jaehriger, der 35 Jahre in Sibirien wegen vierfachen Mordes war, zwei ehemals Drogenabhaengige, von denen einer schon zwei Selbstmordversuche hinter sich hat und ein Blinder, sowie ein geistig (leicht) Behinderter, mit dem ich mich exzellent verstehe (wenn auch nicht ueber Sprache)). Ich will nun aber das Internet nicht ueberstrapazieren. Morgen werde ich die Stadt besichtigen und zur Caritas kommen. Mal sehen was das bringen wird.
Bis die Tage
Joerg
Gestern Abend um 12:00 Uhr Ortszeit bin ich in Volgograd angekommen. Ich bin angekommen. Mein Koffer nicht. Der war leider noch in Moskau, weswegen ich die erste Nacht mit 1600 Euro in einem eingenaehten Geheimfach in meiner Unterhose, stinkend wie der letzte Iltis verbringen musste. Das Geld bin ich immer noch nicht los, dafuer aber die Unterhose, denn das fehlende Gepaeckstueck kam dann heute doch noch am Volgograder Flughafen an. Der Hinflug war nichts fuer schwache Nerven. Ziemlich genau als wir die russische Grenze passiert hatten begann mich ein tueckisches Nasenbluten heimzusuchen, was allerdings noch vom Bordpersonal gestoppt werden konnte. In Moskau allerdings haeuften sich die Probleme: Zuerst musste ich mit einem winzigen bisschen Russisch und Englisch (was die aber nicht wirklich verstehen) zum Transit kommen, um den Flughafen zu wechseln. Dieser Transit haette mich dabei beinahe um den Anschlussflug gebracht, da er so unregelmaessig faehrt. In der Maschine sitzend wuenschte ich mir dann ich haette den Flieger verpasst: Ausruestung aus Weltkriegszeiten liessen boeseres Vermuten als auf mich zu kam. Am Flughafen dann Ernuechterung ob des Gepaecks aber frohen Mutes weiter in die Wohnung. Ich wurde mit dem Noetigsten versorgt: Wurstbrot mit mehr Wurst als Brot (<
Bis die Tage
Joerg
Donnerstag, 30. August 2007
Hallo zusammen
Herzlich willkommen auf meiner Blog-Seite.
Tobt euch mal nach Herzenslust aus und schreibt was immer ihr wollt.
Gute Nacht, ich schreibe wieder, wenn ich in Wolgograd bin.
Tobt euch mal nach Herzenslust aus und schreibt was immer ihr wollt.
Gute Nacht, ich schreibe wieder, wenn ich in Wolgograd bin.
Abonnieren
Kommentare (Atom)
