Wie habe ich meinen Geburtstag in Russland verlebt? Diese Frage stellten mir viele und meinten damit, wie der Tag, dessen Datum identisch mit dem ist, an dem ich vor zwanzig Jahren das Licht der Welt erblickt habe, sich gestaltet hat. Nun, darauf kann man leicht antworten. Ich bin morgens aufgestanden, habe mich geduscht, mir nette Klamotten angezogen und bin dann wieder nach unten gegangen, wo mir alle gratulierten. Dann habe ich mir Tee gemacht und mir ein paar Plätzchen reingeschoben. Wir sind danach direkt zur Arbeit gefahren, das heißt zum Caritaswagon und haben dort Suppe, Tee und Brot an die Obdachlosen ausgeteilt, wobei ich diesmal die Suppe übernommen habe, da Marco sich besonders um Einzelfälle kümmern musste, sodass er die weniger stressige Aufgabe des Teeeinschenkens übernommen hat. Nach der Speisung habe ich mich mit Miraella, die aus Astrachan zu uns hochgefahren ist, und einem Obdachlosen unterhalten. Nachdem einige von den Jungs dann spitzbekommen hatten, dass ich Geburtstag hatte, gab es auch von ihnen Gratulationen und von mir Zigaretten. Auf dem Weg zurück wählte ich dann das Abendessen (Pizza) aus. Zuhause angekommen bin ich dann direkt zum Supermarkt marschiert, um Bier, Cola und Chips einzukaufen. Zum Mittag waren wir dann (aufgrund einer Autopanne bei Marco und Jura) nur zu viert. Aber Miraella, Anatoli, Ruslan und ich haben es uns auch so schmecken lassen. Danach bin ich dann aufs Zimmer, habe trompetet und gelesen. Im Anschluss gab es eine Flut von Anrufen (primär aus Deutschland), das Abendessen, die Geschenkübergabe am Abend und noch mehr Anrufe.
Das war also mein Zwanzigster. Und er war es so nicht ganz. Denn diese Darstellung begrenzt ganz ungemein den Tag auf seine immanenten Ereignisse, was der Realität nicht wirklich nahe kommen kann. So muss ich erstmal hinzufügen, dass dieser wenig als solcher gefeierte Ehrentag trotzdem ein schöner war, auch wenn er auf den ersten Blick sehr nach Alltag aussieht. Das war er aber eigentlich gar nicht. So war das Geschenk (ein klassisch russischer Pullover) meiner – wie soll ich sagen – Mitbewohner sorgfältig ausgesucht und wir haben uns abends wirklich gut amüsiert. Es war hier wirklich kein wenig überschwänglich, aber gerade deswegen irgendwie angenehm. Und auch nicht „irgendwie“ angenehm, sondern authentisch angenehm. Es hat sich niemand gemeldet oder es ist niemand vorbeigekommen, der nur vom 30-Literbierfass einen Teil grabschen wollte und deswegen fünf Euro auf eine Tafel Schokolade gequetscht hat (oder hat quetschen lassen). Ich bin ja kein Freund des Schauspiels, welches sich nicht als solches „outet“. Oder, wenn man sowieso alles nur Spiel ist, was man auch annehmen dürfen muss, bin ich zumindest kein Freund des Schauspiels, was über das Unumgängliche hinausgeht. Aber genug davon. Ich habe die Einfachheit hier „einfach“ genossen.
Das zweite, was wichtig wäre zu erwähnen, ist, dass sich mein Geburtstag nicht auf die knapp bemessenen 24 Stunden des 19.11. erstreckte, sonder darüber hinaus noch bis in den Mittwoch hineinging. So gab es noch am Dienstag eine kleine Feier mit Saft, Torte und einem kleinen Präsent im Kinderzentrum. Dort hatten die Kinder ein Heftchen vorbereitet mit Glückwünschen, sowie zwei Fotos, die mich mit ihnen bei verschiedenen Tätigkeiten zeigen. Am Mittwoch gab es dann noch ein Extra-Geschenk von Sergej, mit dem ich hier immer die Französischhausaufgaben mache. Der hatte mir eine Karte, Konfekt und eine kleine Gipsmalerei gekauft und letztere selbst mit Farben verschönert. Die Karte haben wir danach gemeinsam auf Französisch übersetzt. Das kleine Bild, welches eine Schweinemama bei der Hausarbeit zeigt, bedeutet mir dabei unglaublich viel. Wie lange kenne ich diesen Jungen und in welche Unkosten stürzt er sich da schon? Und was für einen Aufwand er sich gemacht hat. Hätte ich ihn nicht beruhigt wäre er direkt den ganzen Tag unglücklich gewesen, weil auf der Gipsplatte am Rande zwei kleine Macken sind, über die er sich unglaublich erregen konnte. Mein Geburtstag war insofern also ein Ereignis, welches mir gezeigt hat, dass ich hier schon stark (ich bin schon versucht zu sagen „vollkommen“) integriert bin und gute Freunde gefunden habe, die sich genau so wie es ihnen angemessen scheint um mich sorgen und mit mir feiern. Aber auch das ist immer noch nicht alles.
Die Sache ist nämlich die, dass ich meinen Geburtstag nicht nur in Russland gefeiert habe, sondern in gewisser Weise auch in Deutschland. Schon alleine die vielen Anrufe, die Emails zeigen schließlich, dass auch hunderte Kilometer weit weg noch an mich gedacht wird und ich dort nicht vergessen wurde. Auch das hat mich riesig gefreut, aber ich wähle hier so öffentlich keine Worte, um das wirklich ausdrücken zu können, weil ich das nicht für den richtigen Ort halte.
Seit aber nun hierdurch auf jeden Fall versichert, dass es mir an meinem Geburtstag an nichts gefehlt hat, was ich für Geburtstagsfeeling als nötig befunden hätte. Im Gegenteil habe ich einen Geburtstag verlebt, der ganz nach meinem Geschmack war. Und er passt zu Russland.
Nächster Artikel. Dieser ist misslungen. Musste misslingen. Aber auch trotzdem geschrieben werden.
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3 Kommentare:
Привет йорг.Я думаю что ты уже больше знаеш слов по русски.Помогли ли мои занятия тебе?
Der unterschied zwieschen die beiden Sorten(russischen und sibirischen Pelmeni) liegt in dem Inhalt:russische bestehen nur aus das Schweinefleisch, sibirische erhalten das Schweinefleisch und das Rindfleisch.Wegen Tätowierung,schau mal seine Fingern,die Tätowierung auf sienen Fingern sagen mehr über seinem Leben als Tätowierung auf seinem Rücken(Осторожно! Значение можно узнать в компьютере).Ich wunsche dir alles Gute,Gesundheit.Mit besten Wünschen Tatjana.
Hei Jörg!
Mein Kalender verriet auch mir kürzlich, dass du Geburtstag hast- nun lese ich hier, dass es ein schöner Tag für dich war, was mich sehr freut, weil vielleicht gar nicht selbstverständlich ist!?
In diesem Sinne: nachträglich alles Liebe und Gute zum 20.!!
Ich wünsche dir, dass dein Russlandaufenthalt weiterhin so positiv für dich verläuft und du dich wohl fühlst!
Es grüßt herzlich
das Erdmann
Danke Erdmaennchen, fuer die Geburtstagsgruesse, habe sie mit freudigem Laecheln aufgenommen. Danke auch fuer die Wuensche.
Fuer die Aufklaerung des Pelminiunterschiedes auch dir, Tatjana, lieben Dank. Ich werd mir die Finger bei Gelegenheit angucken. Ich meine, dass eine Taetotwierung auch mit den Morden zu tun hat.
Naja, mal gucken.
Mir geht's gut - danke fuer alle Wuensche und selbige zurueck
Joerg
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